Wenn die Dunkelheit kommt
durchbohrt.
Sie dachte an den Plastikbaseballschläger. Letzte Nacht. In ihrem Zimmer. Das Ding unter dem Bett. Sie dachte an die glühenden Augen im Keller der Schule.
Und jetzt das.
Zwei der kleinen Finger hatten sich in ihren Stiefel gebohrt und kratzten, wühlten, rissen und quetschten jetzt an ihrem Bein.
Unvermittelt konnte sie wieder atmen. Sie keuchte, saugte sich die Lungen voll eiskalter Luft und wurde dadurch aus der entsetzlichen Starre gerissen, die sie bis jetzt am Tor festgehalten hatte. Sie riß ihren Fuß von der Hand weg, machte sich los und stellte überrascht fest, daß sie dazu tatsächlich in der Lage war. Sie drehte sich um und rannte zum Taxi, stürzte hinein und schlug hastig die Tür zu.
Das Taxi entfernte sich von der Wellton-Schule.
Tante Faye und Davey unterhielten sich aufgeregt über den Schneesturm, der, wie Faye sagte, vermutlich noch zehn bis zwölf Zoll Schnee bringen würde, ehe er vorüber war. Keiner die beiden schien zu bemerken, daß Penny vor Angst halb tot war.
Während sie schwatzten, griff Penny hinunter und betastete ihren Stiefel. Am Knöchel war der Gummi aufgerissen. Ein Stück hing lose herab.
Sie öffnete den Reißverschluß, fuhr mit der Hand unter die Socke und betastete die Wunde an ihrem Knöchel. Sie brannte ein wenig. Als sie die Hand aus dem Stiefel zog, glänzte ein wenig Blut auf ihren Fingerspitzen.
Tante Faye sah es. »Was ist passiert, Liebes?«
»Nur ein Kratzer.«
Tante Faye bestand darauf, mit Davey den Platz zu tauschen, damit sie neben Penny sitzen und sich die Verletzung genauer ansehen konnte. Sie ließ Penny den Stiefel ausziehen, rollte die Socke herunter und legte eine Stichwunde und mehrere Kratzer am Knöchel frei. Es blutete, aber nicht sehr stark; in ein paar Minuten würde es von selbst aufhören.
»Wie ist das passiert?« wollte Tante Faye wissen.
Penny zögerte. Nur zu gerne hätte sie Faye alles über die Geschöpfe mit den glühenden Augen erzählt. Sie wollte Hilfe, Schutz. Aber sie wußte, daß sie kein Wort sagen durfte. Man würde ihr nicht glauben. Schließlich war sie >Das Mädchen, das einen Psychiater gebraucht hat<.
»Na komm schon«, drängte Faye. »Raus damit. Was hast du angestellt?«
»Hm?«
»Deshalb zögerst du doch. Was hast du getan, obwohl du wußtest, daß du es nicht tun solltest?«
»Nichts«, sagte Penny.
»Wie bist du dann zu der Verletzung gekommen?«
»Ich... ich bin mit dem Stiefel an einem Nagel hängengeblieben.«
»An einem Nagel? Wo?«
»Vorhin, bei der Schule, an dem Tor, wo wir auf dich gewartet haben. Da stand ein Nagel heraus, und ich bin daran hängengeblieben.«
»War er rostig?« wollte Faye wissen.
»Was?« fragte Penny.
»Der Nagel natürlich. War er rostig?«
»Ich weiß es nicht.«
»Nun, du hast ihn doch gesehen, oder nicht? Wie könntest du sonst wissen, daß es ein Nagel war?«
Penny nickte. »Ja. Ich glaube, er war rostig.«
»Bist du gegen Tetanus geimpft?«
»Ja.«
Tante Faye musterte sie mit unverhohlenem Argwohn. »Weißt du überhaupt, was eine Tetanusimpfung ist?«
»Sicher.«
»Und wann hast du sie bekommen?«
»In der ersten Oktoberwoche.«
»Ich hätte nicht geglaubt, daß euer Vater an so etwas wie eine Tetanusimpfung denkt.«
»Sie haben uns in der Schule geimpft«, sagte Penny.
»Tatsächlich?« fragte Faye immer noch zweifelnd.
Jetzt meldete sich Davey zu Worte: »Die geben uns in der Schule alle möglichen Spritzen. Die haben da eine Schwester, und wir kriegen jede Woche Spritzen. Furchtbar. Man kommt sich schon vor wie ein Nadelkissen. Spritzen gegen Mumps und Masern. Eine Grippespritze. Anderes Zeug. Ich hasse das.«
Faye schien zufriedengestellt. »Na schön. Trotzdem, wenn wir nach Hause kommen, waschen wir die Wunde gründlich aus, baden sie in Alkohol, tun Jod drauf und verbinden sie richtig.«
»Es ist doch nur ein Kratzer«, widersprach Penny. »Wir wollen kein Risiko eingehen. Und jetzt zieh deinen Stiefel wieder an, Liebes.«
Gerade als Penny ihren Fuß in den Stiefel steckte und den Reißverschluß hochzog, fuhr das Taxi in ein Schlagloch.
»Junger Mann«, sagte Faye zum Fahrer, obwohl er mindestens vierzig war, also in ihrem Alter. »Wo in aller Welt haben Sie Autofahren gelernt?«
Er blickte in den Rückspiegel. »Tut mir leid, Gnädigste.«
»Wissen Sie nicht, daß die Straßen in unserer Stadt eine Katastrophe sind?« fragte Faye. »Sie müssen die Augen offenhalten.«
»Ich werde mir Mühe geben«, versprach
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