Wenn die Dunkelheit kommt
erstenmal seit einer Ewigkeit habe ich weniger Angst davor, zu lieben und zu verlieren; ich fürchte mich viel mehr davor, überhaupt nicht zu lieben.«
Jack fiel ein Stein vom Herzen.
Er sagte: »Du darfst mich nie wieder wegstoßen.«
»Ich werde erst lernen müssen, mich zu öffnen, und das wird mir nicht leichtfallen.«
»Du kannst es.«
»Gelegentlich werde ich sicher wieder rückfällig und ziehe mich ab und zu in mein Schneckenhaus zurück. Du wirst Geduld mit mir haben müssen.«
»Ich kann geduldig sein.«
»Gott, als ob ich das nicht wüßte. Du bist der aufreizendst geduldige Mensch, den ich kenne.«
»Aufreizend?«
»Bei der Arbeit gab es Zeiten, da war ich so unglaublich biestig, und ich wußte es, ich wollte nicht so sein, konnte aber anscheinend nicht aus meiner Haut heraus. Manchmal habe ich mir gewünscht, du würdest zurückfauchen, explodieren. Aber wenn du dann endlich reagiert hast, warst du immer so vernünftig, so ruhig, so verdammt geduldig.«
»Du tust, als wäre ich ein Heiliger.«
»Nun, du bist ein guter Mann, Jack Dawson. Ein netter Mann. Ein verdammt netter Mann.«
»Och, ich weiß, daß du mich für vollkommen hältst«, sagte er selbstironisch. »Aber ob du es glaubst oder nicht, selbst ich, das Musterexemplar, selbst ich habe ein paar Fehler.«
»Nein!« sagte sie scheinheilig erstaunt.
»Doch, es ist wahr. Aber ich habe eine große Tugend, die alle diese schrecklichen Schwächen mehr als aufwiegt«, sagte er.
Sie grinste. »Und die wäre?«
»Ich liebe dich.«
Diesmal verbot sie ihm nicht, so etwas zu sagen.
Sie küßte ihn.
Ihre Hände streichelten ihn.
Sie sagte: »Liebe mich noch einmal.«
12
Normalerweise wurde Penny, ganz gleich, wie lange Davey aufbleiben durfte, eine Stunde mehr zugestanden. Als letzte schlafenzugehen, war aufgrund ihres Altersvorsprungs von vier Jahren ihr gutes Recht. Sie setzte sich jedesmal wacker und hartnäckig zur Wehr, wenn jemand auch nur ansatzweise den Versuch machte, ihr dieses kostbare, unveräußerliche Recht zu verweigern. Als je doch an diesem Abend um neun Uhr Tante Faye vorschlug, Davey solle sich die Zähne putzen und sich ins Bett verziehen, tat Penny so, als sei sie müde, und sagte, sie habe auch nichts dagegen schlafenzugehen.
Sie durfte Davey nicht alleine in einem dunklen Schlafzimmer lassen, wo die Kobolde sich vielleicht an ihn heranschleichen konnten. Sie mußte wach bleiben und auf ihn aufpassen, bis ihr Vater kam. Dann würde sie Daddy alles über die Kobolde erzählen, und sie hoffte, daß er sie zumindest zu Ende anhören würde, ehe er nach den Männern mit den Zwangsjacken schickte.
Sie und Davey waren ohne Nachtzeug zu den Jamisons gekommen, aber das war weiter kein Problem. Da sie des öfteren bei Faye und Keith übernachteten, wenn ihr Vater lange arbeiten mußte, hatten sie dort Ersatzzahnbürsten und Schlafanzüge deponiert. Und im Schrank des Gästezimmers lag frische Kleidung zum Wechseln, so daß sie morgen nicht das gleiche anziehen mußten. Innerhalb von zehn Minuten lagen sie in ihren Betten und kuschelten sich behaglich in die Decken.
Tante Faye wünschte ihnen angenehme Träume, schaltete das Licht aus und schloß die Tür.
Die Dunkelheit war dick, erstickend.
Penny kämpfte gegen einen Anfall von Platzangst.
Davey schwieg eine Weile. Dann: »Penny?«
»Hm?«
»Bist du da?«
»Was glaubst du, wer gerade >hm< gesagt hat?«
»Wo ist Dad?«
»Macht Überstunden.«
»Ich meine, wirklich?«
»Er macht wirklic h Überstunden.«
»Und wenn ihm etwas passiert ist?«
»Ihm ist nichts passiert.«
»Und wenn er angeschossen worden ist?«
»Ist er nicht. Das hätten sie uns gesagt, wenn er angeschossen worden wäre. Sie würden uns wahrscheinlich sogar ins Krankenhaus fahren, damit wir ihn besuchen können.«
»Nein, das würden sie nicht tun. Die wollen doch Kinder vor so schlechten Nachrichten bewahren.«
»Willst du, in Gottes Namen, aufhören, dir Sorgen zu machen? Mit Dad ist alles in Ordnung. Wenn er ange schössen worden wäre oder so was, würden Tante Faye und Onkel Keith das doch wissen.«
»Vielleicht wissen sie es ja?«
»Wenn sie es wüßten, würden wir es auch wissen.«
»Wieso?«
»Das würde man merken, selbst wenn sie sich Mühe gä ben, es zu verbergen.«
»Wie würde man es merken?«
»Dann hätten sie uns anders behandelt. Sie hätten sich komisch benommen.«
»Sie benehmen sich immer komisch.«
»Ich meine, auf andere Weise komisch. Sie wären be
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