Wenn die Dunkelheit kommt
sonderbar, dachte Jack, daß man sich im Herzen von Manhattan so isoliert und so allein fühlen kann.
»Was jetzt?« drängte Rebecca, die Augen auf den Wagen geheftet, mit einer Hand hielt sie Davey fest, die andere hatte sie in ihren Mantel gesteckt und hielt damit wahrscheinlich ihren Revolver umklammert.
»Wir müssen in Bewegung bleiben«, sagte Jack; er war nicht zufrieden mit dieser Antwort, aber zu überrascht und zu verängstigt, als daß ihm etwas besseres eingefallen wäre.
Keine Panik.
»Wohin?« fragte Rebecca.
»Zur Avenue«, sagte er.
Ruhig. Langsam. Wenn wir in Panik geraten, sind wir erledigt.
»Die Richtung, in die Keith gegangen ist?« fragte Rebecca. »Nein. Zur anderen Avenue. Zur Third Avenue. Die ist näher.«
»Hoffentlich sind dort Leute«, sagte sie.
»Vielleicht sogar Streifenwagen.«
Und Penny fügte hinzu: »Ich glaube, unter Menschen und im Freien sind wir sehr viel sicherer.«
»Das glaube ich auch, Schätzchen«, sagte Jack. »Also, gehen wir. Und bleibt dicht beieinander.«
Penny faßte Daveys Hand.
Der Angriff kam plötzlich. Das Ding stürzte unter ihrem Wagen hervor. Quiekend. Zischend. Die Augen verstrahlten silbriges Licht. Es zeichnete sich dunkel vor dem Schnee ab. Flink und geschmeidig. Verdammt flink. Wie eine Eidechse. Soviel sah Jack im sturmverzerrten Schein der Straßenlaterne, und er griff nach seinem Revolver, dann fiel ihm wieder ein, daß Kugeln diese Wesen nicht töten konnten; er erkannte auch, daß sie so dicht beieinanderstanden, daß er gar keinen Schuß riskieren konnte, und auf einmal war das Ding zwischen ihnen, fauchend und spuckend -all das in einer einzigen Sekunde, vielleicht sogar noch weniger. Davey schrie. Und versuchte, dem Ding aus dem Weg zu gehen. Er konnte ihm nicht ausweichen. Die Bestie sprang mit einem Satz auf den Stiefel des Jungen. Davey trat nach ihr. Sie klammerte sich an ihm fest. Jack hob Penny hoch und stieß sie weg. Schubste sie gegen die Wand des Apartmenthauses. Sie blieb geduckt stehen. Keuchend. Inzwischen hatte die Eidechse angefangen, an Daveys Beinen hinaufzuklettern. Der Junge drosch auf sie ein. Stolperte. Taumelte rückwärts. Kreischte um Hilfe. Rutschte aus. Stürzte. All das in nicht mehr als einer weiteren Sekunde, vielleicht zweien - >tick, tick< - und Jack kam sich vor wie in einem Fiebertraum, in dem die Zeit so verzerrt war, wie sie es nur in einem Traum sein konnte. Er lief hinter dem Jungen her, aber die Luft, durch die er sich bewegte, schien so zäh wie Sirup. Die Eidechse saß jetzt auf Daveys Brust, ihr Schwanz peitschte hin und her, ihre Klauenfüße zerrten an dem dicken Mantel, versuchten, ihn zu zerfetzen, um dann den Bauch des Jungen aufreißen zu können. Ihr Maul war weit geöffnet, die Schnauze fast im Gesicht des Jungen - >nein!< - und Rebecca erreichte ihn vor Jack. >Tick.< Sie riß das widerliche Ding von Daveys Brust. Es jaulte. Es biß sie in die Hand. Sie schrie vor Schmerz auf. Schleuderte die Echse zu Boden. Penny schrie: »Davey! Davey!« >Tick.< Davey war wieder auf den Beinen. Die Eidechse ging von neuem auf ihn los. Diesmal bekam Jack das Ding zu fassen. Mit bloßen Händen. Er schauderte, als er es berührte, riß es von dem Jungen herunter. Hörte, wie der Mantel in den Klauen zerriß. Hielt es auf Armeslänge von sich ab. >Tick.< Es versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, und es war stark, aber er war stärker. >Tick.< Es trat mit seinen gefährlichen Klauenfüßen in die Luft. >Tick. Tick. Tick, tick, tick... <
Rebecca fragte: »Warum versucht es nicht, dich zu beißen?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte er atemlos.
Aber er erinnerte sich an das Gespräch, das er vor ein paar Stunden mit Nick Iervolino im Streifenwagen gerührt hatte, auf dem Weg von Carver Hamptons Laden in Harlem in die Stadt. Und er fragte sich...
Das Eidechsenwesen hatte ein zweites Maul, das sich in seinem Magen befand und mit scharfen, kleinen Zähnen versehen war. Die Öffnung glotzte Jack an, öffnete und schloß sich, aber dieses zweite Maul wollte ihn ebensowenig beißen wie das im Kopf der Echse.
»Davey, bist du in Ordnung?« fragte Jack.
»Mach es tot, Daddy«, bat der Junge. Es klang verschreckt, aber nicht, als ob er verletzt wäre. »Bitte, mach es tot. Bitte.«
»Ich wünschte nur, ich könnte es«, sagte Jack.
Das kleine Ungeheuer wand sich, zappelte, krümmte sich und tat, was es konnte, um Jack aus den Händen zu rutschen. Es widerte ihn an, es zu berühren, aber er packte
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