Wenn die Liebe erblueht - Im Rosengarten der Liebe
morgen nachholen. Nein, heute, verbesserte sie sich und stellte ärgerlich fest, dass sie trotz ihrer Erschöpfung bei dem Gedanken an Mitch Fletcher nicht mehr einschlafen konnte.
In den Wochen bevor Tante May ins Hospiz gegangen war, hatte sie oft nächtelang vor Schmerzen keinen Schlaf gefunden, und Geraldine war dann mit ihrer Tante aufgeblieben, um ihr Gesellschaft zu leisten und sie abzulenken. Unter der erfahrenen Pflege und speziellen Schmerztherapie im Hospiz fand Tante May nun die Ruhe, die sie so dringend brauchte. Geraldine aber litt seit jener Zeit zunehmend unter Schlafstörungen, was vermutlich auch eine Folge der starken inneren Anspannung war. Ihr Schlaf währte meist viel zu kurz, und wenn sie kaum erholt aufwachte, galt ihr erster Gedanke stets ihrer Tante.
Auch an diesem Morgen war sie lange vor sieben Uhr auf und hatte schon gefrühstückt, oder besser gesagt, lustlos in ihrem Müsli herumgestochert. Von einer inneren Unruhe getrieben, ging sie hinaus in den Garten und schlenderte über die noch taubedeckte Wiese. Die Feuchtigkeit durchnässte ihre leichten Leinenturnschuhe, aber Geraldine registrierte es kaum. Gedankenverloren streifte sie durch den stillen, idyllischen Garten und versuchte, ihn mit den Augen ihrer Tante zu sehen. Vor den Rosenbüschen, die sie noch zusammen mit Tante May im Herbst gekauft hatte, blieb sie stehen. Es war eine spezielle, alte Sorte, die man früher vor allem in ländlichen Gärten angepflanzt hatte und die sich weniger durch die Schönheit ihrer Blüte als durch ihren wunderbaren Duft auszeichnete. Während Geraldine nun die Rosen betrachtete und die knospenden Zweige sorgsam nach Blattläusen absuchte, wie Tante May es getan hätte, hatte sie plötzlich Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
Einer spontanen Regung folgend, holte sie eine Schere und einen Korb aus der Küche und kehrte damit zu den Rosenbüschen zurück, um einige besonders schöne Zweige abzuschneiden. Ihre Hand zitterte, als sie die Knospen vorsichtig in den Korb legte. Warum pflückte sie die Rosen, wenn Tante May doch bald nach Hause kommen würde und sie im Garten bewundern könnte? Was wollte ihr Unterbewusstsein ihr damit sagen?
Für einen Moment verspürte Geraldine den unbändigen Wunsch, die Knospen zu zerstören, sie auf den Boden zu werfen und zu zertrampeln, als hätte sie auf dieseWeise die innere Stimme zum Schweigen bringen können, die sie dazu gedrängt hatte, die Rosen für Tante May zu schneiden. Irgendein Teil von ihr tief in ihrem Inneren schien bereits akzeptiert zu haben, dass ihre Tante die Rosen nie mehr in ihrer natürlichen Umgebung blühen sehen würde. Nein! Ihr Herz krampfte sich zusammen. Nein, das durfte nicht sein! Verzweifelt blickte sie von den Rosenbüschen auf, um ihre düsteren Gedanken zu verdrängen, und sah jemanden über die Wiese auf sich zukommen.
Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass es sich um Mitch Fletcher handelte. Nach der ersten Verblüffung fragte sie sich, was er bei ihr wollte. Sie hatten doch verabredet, dass er erst am Abend einziehen sollte.
Mitch trug ebenfalls Turnschuhe, weshalb sie ihn nicht früher hatte herankommen hören, und einen dunklen Trainingsanzug. âIch laufe fast jeden Morgenâ, erklärte er, als er bei Geraldine stehen blieb. âIch sah Sie im Garten und wollte Sie fragen, ob es Ihnen etwas ausmacht, wenn ich schon am frühen Nachmittag anstatt heute Abend meine Sachen bringen würde. Das Hotel braucht mein Zimmer, und man würde es dort sehr gern sehen, wenn ich noch vor dem Mittagessen ausziehen könnte.â
Geraldine überschlug im Geiste die Entfernung zwischen dem einzigen besseren Hotel der Kleinstadt und ihrem Cottage und war wider Willen beeindruckt. Kein Wunder, dass Mitch Fletcher so fit und durchtrainiert wirkte, wenn er regelmäÃig diese Strecke lief!
Der Pfad, der an ihrem Cottage vorbei über die Felder und Weiden zur Farm führte, wurde von vielen Leuten zum Spazierengehen und Joggen benutzt. Geraldine hatte sich im Lauf der Monate so daran gewöhnt, dass sie es kaum noch registrierte, wenn jemand an ihrem Haus vorbeikam. Das war vermutlich der Grund, warum ihr Mitch Fletcher nicht schon früher aufgefallen war. Sein plötzliches Eindringen machte sie unsicher und gereizt. Sie fühlte sich verletzbar und ausgeliefert und hatte nur den einen Wunsch, ihn
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