Wenn die Liebe erwacht
dazu benutzt, schwanger zu werden, falls Rolfe zu lange braucht, um Ihrer überdrüssig zu werden. Ich dachte wirklich, so käme es. Als er hierher zurückkehrte und Ihnen nicht sofort nach Pershwick folgte, war ich sicher, daß das das Ende seiner Liebe zu Ihnen ist, und daher brauchte ich das Kind nicht mehr als Vorwand, um hierbleiben zu können.«
Leonie ermahnte sich, keine Reaktion zu zeigen und Amelia mit gelassener Miene anzusehen. Die Enthüllung ihrer Rivalin hatte ihre Liebe zu Rolfe von neuem entfacht, und am liebsten wäre sie augenblicklich zu ihm geeilt und hätte seine Arme um ihn geschlungen. Aber sie wollte nicht, daß Amelia erfuhr, wieviel ihr diese Worte bedeuteten. Wenn alles gesagt und getan war, mußte ihnen beiden noch ein Rest von Würde bleiben, und daher gestattete sie es sich nicht, ihre Gefühle zu zeigen.
Sie entschied sich, ein schneller Themenwechsel sei der einzige Weg, den sie einschlagen konnte, und sie sagte: »Evarard ist vollkommen außer sich. Dieser Narr liebt Sie!«
»Liebe?« erwiderte Amelia bitter. »Was ist Liebe? Mein erster Mann hat mich auch geliebt – bis er mich geheiratet hat. Dann haben ihn nur noch andere Frauen interessiert. Was glauben Sie denn, warum ich so sicher war, daß Rolfe mich wieder haben wollte, nachdem Sie ihn geheiratet haben? Männer machen sich nichts aus ihren Ehefrauen.«
»Ich glaube nicht, daß das immer so ist, Amelia.«
Amelia seufzte. »Rolfe scheint Sie wirklich zu lieben.«
»Und vielleicht würde sich Evarard bewähren, wenn Sie ihm eine Chance geben. Er erkennt Ihre Fehler, aber er liebt Sie. Wußte er etwas von seinem Kind?«
»Nein. Ich hätte es ihm gesagt, aber ihn in dem Glauben gelassen, daß es Rolfes Kind ist. Das habe ich vor mir hergeschoben, weil ich ihm nicht wehtun wollte.«
Amelia hatte keine Bedenken gehabt, Rolfe und ihr wehzutun, und es getan, ohne zu zögern, dachte Leonie bitter. Aber sie fing an zu glauben, daß sie Amelia im Lichte dessen, was sie gerade gehört hatte, verzeihen konnte.
»Dann sehe ich keinen Grund, weshalb er allzuviel davon erfahren sollte«, sagte Leonie zu Amelia.
»Und Rolfe?«
»Wenn es um ihn geht, bin ich weniger unbefangen. Ich werde es ihm nicht sagen. Sie werden es tun.«
»Aber er wird mich umbringen, wenn er erfährt, daß ich Sie beide belogen habe!«
»Das glaube ich nicht, Amelia. Ich glaube, es wird ihm eine Erleichterung sein, die Wahrheit zu erfahren. Aber wenn Sie mir nicht versprechen, es ihm zu erzählen, dann werde ich sie hier liegenlassen und …«
»Sie sind grausam, Lady Leonie.«
»Keineswegs. Es ist nur so, daß ich meinen Mann liebe und nicht zulasse, daß er um ein Kind trauert, das er zu unrecht für sein eigenes gehalten hat.«
48. KAPITEL
Der kleine Junge war sehr hübsch. Leonie sah ihn in dem Moment, in dem sie die Treppe herunterkam, nachdem sie Amelias Schlafzimmer verlassen hatte. Rolfe stand neben dem Jungen. Er hatte dichte schwarze Locken und sehr dunkle braune Augen, die sie scheu betrachteten, als sie auf das Kind zukam. Es war ein achtjähriges Abbild von Rolfe.
Sie sah sich mit einem fragenden Blick nach Rolfe um, und er sagte: »Ehe du die falschen Schlußfolgerungen ziehst – er sieht mir so ähnlich, weil er mein Neffe ist.«
Leonie lächelte. »Wie hätte ich auf einen anderen Gedanken kommen können?«
Rolfe stellte ihr stirnrunzelnd Simon d’Ambert vor und nahm Leonie dann zur Seite. »Ich habe ihn in den letzten Tagen zu Lady Roese geschickt, weil ich nicht in der Stimmung war, ihn bei mir zu haben. Aber jetzt bist du hier, und daher …«
»Aber du hast mir nicht gesagt, daß er zu Besuch kommt.«
»Mein Bruder ist tot«, sagte Rolfe schlicht, »und das Kind ist nicht nur zu Besuch hier. Mein Bruder und ich haben einander nicht gerade geliebt, aber darum geht es im Moment nicht«, fuhr Rolfe mürrisch fort. »Seine Witwe macht sich Sorgen um das Wohlergehen seiner Kinder und wandte sich an mich. Sie hat die Gascogne sofort nach dem Tod meines Bruders verlassen und Unterschlupf bei einem Freund in der Normandie gefunden. Dort bin ich während des ganzen letzten Monats gewesen, Leonie.«
Sie riß die Augen weit auf. »Dann bist du deshalb … ich habe mich allerdings gefragt, warum es so lange gedauert hat, bis du nach Pershwick gekommen bist. Du hast also während all der Zeit noch nicht einmal gewußt, wo ich bin?«
»Das habe ich erst nach meiner Rückkehr nach England erfahren. Sir Evarard hat Boten zu mir geschickt,
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