Wenn die Liebe erwacht
nicht, ob er sie mit Küssen überschütten oder sie erwürgen sollte.
Eines wußte er. Sie würde ihm damit nicht ungestraft davonkommen. Er mußte ihr beibringen, daß sie nicht jedesmal, wenn es Unstimmigkeiten zwischen ihnen gab, zu ihren Vasallen laufen konnte.
Wenn Rolfes Wut einer Ermattung Platz gemacht hatte, dann blieb es nicht dabei. Sir Guibert kam ihm im Burghof entgegen und teilte ihm schlicht mit, Leonie würde Pershwick keineswegs verlassen, wenn sie nicht aus freiem Willen von hier fortging. Er war bereit, seinen Standpunkt mit dem nötigen Nachdruck zu vertreten.
Rolfe wurde fuchsteufelswild. »Ist Ihnen eigentlich klar, wofür Sie hier sterben wollen?«
»Ja, Mylord.«
»Wissen Sie auch, daß die Eifersucht meiner Frau unbegründet ist? Es gibt einen guten Grund dafür, daß Lady Amelia sich in Crewel aufhält. Mir ist es alles andere als lieb, aber es muß sein.«
»Wir sind uns darüber im klaren, daß es um ein Kind geht«, erwiderte Guibert unerschrocken.
»Wir?«
»Lady Leonie würde nicht diesen erbitterten Standpunkt einnehmen, wenn sie lediglich einen Verdacht hätte.«
Rolfe sah ihn finster an. »Ich sagte Ihnen doch, daß ihre Eifersucht grundlos ist. Das Kind hat nichts mit ihr zu tun, weil es gezeugt worden ist, ehe ich sie geheiratet habe.«
»Dann werden Sie sie davon überzeugen müssen, Mylord, denn sie ist entschieden anderer Meinung.«
Rolfe blieb abrupt stehen. Die Äußerung war beiläufig gemacht worden. Es war schon schlimm genug, daß Leonie etwas von dem Kind erfahren hatte, obwohl er gehofft hatte, ihr dieses Wissen möglichst lange ersparen zu können. Aber daß sie gar glaubte …
»Führen Sie mich zu ihr«, forderte Rolfe, der sich jetzt über den Unsinn ärgerte, den Leonie glaubte. Das zeigte deutlich, was für eine Meinung sie von ihm hatte. Jetzt fielen ihm wieder die Zweifel ein, die er gehabt hatte, als es darum ging, Amelia bei sich zu behalten, aber er wäre nie darauf gekommen, welche Schlußfolgerungen Leonie aus seiner Nachsicht gegenüber Amelia ziehen konnte.
Als Leonie Rolfe auf sich zukommen sah, war sie erstaunt über die Angst, die sie vor ihm hatte, doch trotz dieser Angst spürte sie, wie unbändig stolz sie auf Rolfe war. Sie hatte Respekt vor einem Mann, der seine Absichten so zielstrebig verfolgte.
In Wahrheit hatte sie gar nicht gewollt, daß er ihren Forderungen nachgab, wenn sein Nachgeben nur bedeutet hätte, daß er sich zukünftig nach Amelia sehnte. Damit war nichts erreicht. Leonie wollte diesen Punkt für alle Zeiten klären.
Rolfe blieb einige Schritte vor Leonie stehen und musterte gründlich ihre Haltung und ihr Auftreten. Sie stand hinter einem Stuhl, und ihre Finger umklammerten die hohe Rückenlehne, als wolle sie diesen Stuhl zwischen sich und ihm haben. Ihr Kinn war trotzig in die Luft gereckt, aber ihre Augen waren unsicher und ängstlich.
»War es nötig, mit einem Heer hier anzurücken, Mylord?« fragte sie, um den Anfang zu machen.
Er hätte fast gelacht, denn in dem Saal standen ein Dutzend bewaffnete Männer, ihr getreuer Vasall und außerdem eine ganze Reihe von grimmig blickenden Leibeigenen, die gar nicht erst den Versuch unternahmen, ihre Abneigung gegen Rolfe d’Ambert zu verbergen.
»Du kannst froh sein, daß ich das getan habe, Frau, denn wenn ich allein hierhergekommen wäre, hättest du diesen Unfug nicht aufgegeben und wärst hart geblieben, und das hätte mich gezwungen, später zu strengeren Maßnahmen zu greifen.«
Sie schäumte über. »Es ist wohl kaum als Unfug zu bezeichnen …« Sie preßte ihre Lippen zusammen. »Darüber streite ich mich nicht mit dir. Was hast du jetzt vor?«
»Dich zurückzubringen.«
»Und wenn ich mich weigere, von hier fortzugehen? Wirst du dann meine Burg angreifen?«
»Ich werde nicht einen Stein auf dem anderen lassen«, antwortete er. »Ich habe sowieso Lust, Pershwick einzureißen.« Sein Gesicht wurde hart. »Du kannst nicht jedesmal, wenn du dich über mich ärgerst, hierherkommen und deine Leute gegen mich aufhetzen, Leonie. Wenn du das jemals wieder tust, zögere ich nicht, Pershwick zu zerstören. Du gehörst zu mir.«
»Aber ich bin nicht glücklich mit dir!« Sie warf ihm die Worte an den Kopf.
Sie wirkten wie ein Schwerthieb. Er sagte sich, daß er ihr sein Herz nicht öffnen durfte, wenn sie nichts anderes haben wollte, als seine Gefühle mit Füßen zu treten.
»Ich hatte gehofft, du würdest mich mit der Zeit lieben, Leonie, oder ein Leben mit
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