Wenn die Liebe erwacht
wegen seiner Mutter soviel gegen dieses Kind gehabt, und …«
»Kommen Sie mit mir, Mylady?« bat Janie wieder, und Leonie gab sich einen Ruck. Sie hatte jetzt keine Zeit für Gewissensbisse.
»Wilda, hol meine Medizin. Eil dich.«
Zu Leonies Erstaunen wartete Sir Evarard vor Amelias Tür. Er machte einen sehr unglücklichen Eindruck.
»Fehlt Amelia etwas Ernstes?« fragte er mutlos.
»Sie haben sie gern, Sir Evarard?« Sie wußte einfach nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.
»Gern? Ich liebe sie!« sagte er leidenschaftlich.
Leonie lächelte ihn an. »Ich werde alles tun, was ich kann.«
»Wirklich?« fragte er. Er war zu besorgt, um diplomatisch zu sein. »Ich weiß, daß Sie sie nicht leiden können und daß Amelia Sie auch nicht mag. Und sie kann kindisch und quengelig sein, aber … aber sie ist nicht durch und durch schlecht, Mylady.«
»Sir Evarard«, sagte Leonie freundlich, »gehen Sie jetzt bitte nach unten. Wenn ich Amelia helfen kann, werde ich es tun. Das können Sie mir glauben.«
Amelias Gemächer waren größer, als Leonie es erwartet hatte, und sie standen voll mit Gegenständen von denen sie die meisten an Alain erinnerten. Er hatte immer einen Hang zu verschnörkelten Möbeln gehabt, und den größten Teil seiner Habe zurückgelassen, als er aus Kempston geflohen war.
Das ganze Zimmer roch nach Krankheit. Das Bett war kürzlich frisch bezogen worden, doch das blutige Bettzeug lag auf einem Haufen in der Ecke.
Ein flüchtiger Blick auf die hagere Gestalt, die in dem Bett lag, reichte aus, um Leonies Verdacht zu bestätigen. Das Gesicht hatte eine ungesunde graue Färbung, und unter den Augen waren tiefe dunkle Ringe. Amelias Körper krümmte sich vor Schmerzen, und in ihrem Zustand, der nah an der Bewußtlosigkeit war, schlug sie um sich und wimmerte und stöhnte, während die beiden Mädchen neben dem Bett standen und Leonie hilflos entgegensahen.
Leonie zog die Bettdecke zur Seite. Amelia lag in einer Blutlache. Mit Hilfe der Mädchen wechselte Leonie erneut das Bettzeug, säuberte Amelia und wickelte sie in Verbände, um den Blutfluß aufzuhalten. Dann zwang sie Amelia, einen Sirup aus Sumpfwundkraut zu trinken, da sie hoffte, daß er die Blutungen eindämmen würde.
In einer Phiole auf dem Nachttisch war der Sud, den Amelia zu sich genommen hatte und von dem Leonie wußte, daß es sich um Seidelbast handelte, ein Kraut, das gewöhnlich eingesetzt wurde, um der Darmtätigkeit nachzuhelfen, und das Abtreibungen bewirkte. Eine zu große Menge konnte Erbrechen und blutigen Stuhl verursachen und erwies sich oft als tödlich. Die Phiole war fast leer.
Als Amelia die Augen aufschlug, blickte sie in ihrer Verwirrung wild um sich. Sie sah Leonie neben ihrem Bett stehen und flüsterte: »Was haben Sie hier zu suchen?«
»Wieviel haben Sie hiervon getrunken?« fragte Leonie und hielt die Phiole hoch.
»Genug. Ich habe es schon öfter angewandt, aber … aber immer sofort, wenn ich den Verdacht hatte. Nie so spät.«
»Warum, Amelia?«
Die ältere Frau war verblüfft, weil Leonie sich offensichtlich Sorgen machte. »Warum? Was soll ich denn mit einem Kind? Ich kann Kinder nicht ausstehen!«
Leonies Mitgefühl begann zu schwinden. »Und deshalb haben Sie das Kind meines Herrn getötet?« fragte sie angewidert. »Wenn Sie es nicht haben wollten, warum haben Sie dann so lange gewartet?«
»Ich brauchte es, um … aber als Sie fort waren … ach, lassen Sie mich in Ruhe.«
»Ich würde am liebsten genau das tun und Sie an Ihrer eigenen Torheit sterben lassen!« Leonies Stimme klang so erregt, daß sie brüchig wurde.
»Nein, bitte, Sie müssen mir helfen!« rief Amelia. »Ich habe das Kind schon verloren, und jetzt wird er mich fortschicken.«
»Sind Sie sich dessen so sicher?« wollte Leonie wissen.
»Rolfe wollte mich nicht mehr, nachdem er Sie geheiratet hat«, stöhnte Amelia. »Ich dachte, er würde mich behalten, aber ich täuschte mich.«
»Erklären Sie mir das genauer, Amelia.«
»Ich wollte nicht an den Hof zurückgehen«, wimmerte Amelia. »Sie wissen nicht, wie das Leben dort aussieht. Immer muß man mit jüngeren Frauen konkurrieren, und immer …«
»Erzählen Sie mir von Rolfe«, beharrte Leonie mit erhobener Stimme.
»Ich habe ihn belogen«, sagte Amelia. »Ich habe Rolfe gesagt, ich sei schwanger, als ich es noch gar nicht war.« Sie sah Leonie ins Gesicht und gestand ihr die volle Wahrheit.
»Das Kind ist nicht von Rolfe, sondern von Evarard. Ich habe ihn
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