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Wenn die Liebe erwacht

Wenn die Liebe erwacht

Titel: Wenn die Liebe erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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trocken.
    »Soll das heißen, daß du keinen hattest?«
    Ihre Augen sprühten Funken. »Du weißt genau, warum ich verschleiert war. Ich habe keine Lust, darüber zu reden.«
    Rolfe starrte sie ungläubig an, als sie aufstand und wütend zur Tür ging. Glaubte sie wirklich, er hätte verstanden, wovon sie sprach?
    »Leonie!«
    Sie drehte sich nur lange genug zu ihm um, um wütend zu sagen: »Ich werde nicht darüber reden! Und jetzt setz dich in Bewegung, Mylord, weil wir London sonst nicht vor Einbruch der Nacht erreichen.«
    Sie schlug die Tür hinter sich zu, und Rolfe blieb allein zurück. So bestürzt wie in diesem Augenblick war er in seinem ganzen Leben noch nicht gewesen.

31. KAPITEL

    Da Leonie so lange in der Zurückgezogenheit von Pershwick und dann von Crewel gelebt hatte, faszinierte sie die Reise nach London. Rolfe dagegen war so viele Jahre lang durch Frankreich und England gereist, daß er sich kaum die Mühe machte, sich auch nur umzusehen, und es ihr ganz allein überließ, die Freuden der Reise auszukosten.
    Sie kamen durch Ortschaften, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, und sie sog gierig alles in sich auf, von dem gewohnten Anblick von Bauern, die auf den Feldern ihrer Lehnsherren arbeiteten, bis zu prächtig gekleideten Damen zu Pferde, die mit ihren Wachen reisten. Sie war froh, daß keine ältere Frau dabei war, die sie ausschalt, denn sie wußte selbst, daß sie nicht alles um sich herum derart fasziniert hätte anstarren sollen. Aber sie hatte großen Spaß daran, und ihr war klar, daß sie sich meistens sowieso nicht einen Pfifferling um die hergebrachten Anstandsformen kümmerte.
    Sie kamen durch eine Ortschaft, als die Glocken gerade zum Dreiuhrgebet riefen, und die Stille des Nachmittags weckte Leonies Erinnerung und ließ sie an die Zeiten denken, an denen sie mit dem Unterricht fertig war und von ihrem Kindermädchen zu ihren Eltern geführt wurde. Von drei bis vier war eine geheiligte Zeit, zu der sie sich zu dritt unterhielten und, wenn es das Wetter zuließ, im Wald spazierengingen. Niemandem war es je gestattet worden, sie in dieser Stunde zu stören.
    Mit dem Tod ihrer Mutter waren all dieser Frieden, diese vergnüglichen Zeiten für immer zu Ende gegangen. Zum Teufel mit meinem Vater, dachte sie. Warum hatte er sich nach dem Tod ihrer Mutter nicht mehr um sie gekümmert? Warum war er so schwach gewesen? Sie hätte sich an seiner Stelle gezwungen, den Kummer zu besiegen.
    Wann würde sie es je lernen, nicht an ihren Vater zu denken? Die wenigen Momente des Kummers, die sie sich gestattete, würden dazu führen, daß sie einen Tag lang, wenn nicht länger, unglücklich vor sich hin brütete, soviel wußte sie aus Erfahrung – und sie hatte in ihrer jetzigen Situation genug zu bewältigen, als daß sie auch noch um ihre Jugend trauern konnte.
    Sie wandte sich wieder nach allen Seiten um und rief sich ins Gedächtnis, daß sie diesen Genuß auskosten mußte, denn sie fürchtete, daß London ihr nicht viel Freude bereiten würde.
    In London gab es mehr als hundert Gemeinden, von denen eine jede ihre eigene Kirche hatte, und die Kirchtürme, die über die Stadtmauern aufragten, waren ein ehrfurchtgebietender Anblick. Leonie konnte sich noch gut an ihre erste Reise nach London erinnern, als sie ein Kind war, und an die auffälligsten Gebäude, die sie aus weiter Ferne gesehen hatte – die Saint Pauls Kathedrale, die sich hoch über die Stadt erhob und sie mit ihren mächtigen Dächern, Erkern und gotischen Bögen beherrschte.
    Der Königspalast, der fast ein Jahrhundert alt war, war ein weiterer prachtvoller Steinbau in einer Stadt, in der vorwiegend einstöckige Fachwerkhäuser standen. Er war der einzige königliche Palast innerhalb der alten römischen Stadtmauern, und dort würden Leonie und Rolfe wohnen.
    Leonie war froh darüber. Der König residierte in der Westminster Hall, die außerhalb der Stadtmauern lag, und daher hoffte sie, Heinrich nur ein einziges Mal sehen zu müssen. Sie würde ihm am Tag nach ihrer Ankunft vorgestellt werden. Rolfe würde ihn jedoch bereits an dem Abend sehen, an dem sie in London eintrafen.
    Als sei Leonie nicht schon aufgeregt genug gewesen, König Heinrich treffen zu sollen, schüchterte auch noch London selbst sie ein. Es erstreckte sich über eine ganze Quadratmeile. Dort wimmelte es von Menschen, und es ging rauh und weltstädtisch zu. Die Stadt widmete sich vorwiegend dem Handel. Es gab Textilienhändler, Krämer, Fischverkäufer

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