Wenn die Liebe erwacht
Sie leugnete ihre eigenen Bedürfnisse ebenso wie seine.
»Nein, Mylord, nicht jetzt – bitte«, flehte sie ihn an und wappnete sich gegen seinen Zorn.
Doch er versetzte sie in Erstaunen. »Dann laß mich dich einfach festhalten, Herzchen. Ich werde nicht mehr tun als nur das.«
Fast hätte sie wieder angefangen zu weinen, weil er so gut zu ihr war. Sie senkte den Kopf, und nachdem er sich unter der Decke ausgestreckt hatte, zog er sie an sich. Es dauerte lange, aber schließlich umfing sie ein Schlaf, der von Träumen geplagt war, und sie preßte sich fest an ihren Mann.
30. KAPITEL
Rolfe wurde davon wach, daß sich etwas bewegte, und als er die Augen aufschlug, sah er Leonie aus dem Bett schlüpfen. Der Streit zwischen ihnen hatte dazu geführt, daß er die halbe Nacht wachgelegen hatte, während er versuchte, die Geschehnisse zu einem Bild zusammenzufügen.
Möglicherweise würde sie eines Tages erfahren, was Amelia ihm bedeutet hatte, aber an diese Möglichkeit wollte er noch nicht einmal denken. Wenn Leonie darauf beharrte, daß Amelia sein Haus verließ, wie konnte er ihr erklären, daß Amelia bleiben mußte? Er konnte Leonie nicht sagen, daß die andere Frau ein Kind von ihm erwartete. Wenn sie das erfuhr, hatte er für die Zukunft jede Chance verspielt, ihre Liebe für sich zu gewinnen.
Er beobachtete Leonie, als sie ihr blaues Leinengewand überzog und zu der kleinen Feuerstelle lief. Sie setzte sich auf einen Hocker und fing an, ihr Haar zu kämmen. Das Licht, das durch das Fenster fiel, ließ ihr langes, seidiges Haar schimmern. Wie hübsch sie doch war!
Und sie war rücksichtsvoll, eine wahrhaft gute Frau. Sie rief ihre Zofe nicht, solange er noch schlief. Und zu den Dienstboten war sie ebenso gütig wie zu ihm.
Was hatte diese Frau an sich? Womit brachte sie ihn so außer sich? Sie verursachte ihm schlaflose Nächte, ließ sein Temperament mit ihm durchgehen, stürzte ihn in grenzenlose Verwirrung und bereitete ihm ständig Sorgen. Sie ließ ihn Hoffnung schöpfen und sie dann wieder in sich zusammenbrechen. Würde er sich ihr gegenüber jemals ungezwungen fühlen?
Thorpe hatte vorgeschlagen, er sollte offen mit ihr reden, aber Rolfe war nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. In Wirklichkeit fürchtete er, der wahre Grund, aus dem sie ihn von Anfang an abgelehnt hatte, sei der, daß sie Alain Montigny, diesen feigen Ritter, liebte. Sie haßte ihn, weil er jetzt Montignys Land besaß. Konnte das die Wahrheit sein? Er wollte nichts weniger, als ein solches Geständnis von ihr erzwingen. Das hätte seinen Hoffnungen ein Ende bereitet.
Leonie spürte, daß er sie anstarrte. Sie stand auf, ging zu ihm und sah ihn besorgt an.
»Es ist kein Wunder, daß du so lange geschlafen hast. Du hast dir zuviel zugemutet«, schalt sie ihn liebevoll aus. »Laß mich jetzt nach deiner Wunde sehen, ja?«
Er nickte. Ihre silbergrauen Augen suchten seinen Blick. »Mylord, ich bitte dich, die letzte Nacht zu vergessen. Ich war übermüdet und … und ich bin nicht ich selbst, wenn ich nervös bin. Wenn ich dich verärgert habe, tut es mir leid.«
»Du bist immer noch so nervös, weil du Heinrich treffen sollst?«
Sie nickte und sah ihn niedergeschlagen an.
»Dann kehren wir um und reiten nach Crewel zurück.«
Sie war verblüfft. »Das tätest du für mich?«
»Natürlich«, sagte er schlicht. »Mir war nicht klar, daß du dich so sehr fürchtest.«
»Es ist eigentlich keine Furcht. Es ist eher ein … Unbehagen«, versicherte sie ihm. »Ich bin sicher, daß es vorübergeht.« Es flößte ihr große Zuversicht ein, daß er bereit gewesen wäre, seine Pläne um ihretwillen zu ändern. »Jetzt ist es zu spät für eine Umkehr. Der König erwartet uns.«
»Es kann nicht schaden, Heinrich ab und zu zu enttäuschen.«
»Nein, Mylord, wirklich, ich werde dafür sorgen, daß ich die Nerven nicht verliere.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Und das Schlimmste, was passieren kann, ist, daß mein Ausschlag wieder ausbricht. Ich habe ihn immer bekommen, wenn ich als Kind an den Hof mußte.«
»Das wäre vielleicht gar nicht schlecht.« Er grinste sie an. »Dann brauche ich nicht zu fürchten, daß jeder Ritter im ganzen Königreich sich in dich verliebt.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich bin längst über diese nervösen Ausschläge hinaus, und daher wird es nicht dazu kommen.«
Rolfe runzelte die Stirn. »Leonie, du hattest am Tag unserer Hochzeit einen Ausschlag.«
»Natürlich, Mylord«, erwiderte sie
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