Wenn die Liebe erwacht
Gefälligkeit zu revanchieren, und Heinrich war ein kluger und taktisch geschickter Monarch.
Die Jagd, die am Nachmittag in den nahen Wäldern veranstaltet wurde, war keineswegs eine anregende Unterhaltung. Ein Hirsch und drei Eber wurden schnell hintereinander und ohne viel Aufhebens erlegt. Wenn die Jagd spannender verlaufen wäre, wäre die Rede vielleicht gar nicht erst auf ein Turnier gekommen. Doch am Hof herrschte Langeweile und Ruhelosigkeit, da Heinrich länger als gewöhnlich in Westminster geblieben war. Sogar Leonie spürte bei diesem Vorschlag eine gewisse Erregung in sich aufsteigen. Immer wieder hieß es, daß Heinrich ein Turnier niemals erlauben würde, und doch hoffte sie, er würde eine Ausnahme machen, wenn er hörte, daß seine Männer zu gern eines veranstaltet hätten.
Leonies Aufregung ging noch am selben Abend in Sorge über, als Rolfe ihr sagte, Heinrich hätte sie alle in Erstaunen versetzt, indem er seine Zustimmung zu dem Turnier gegeben hätte, und er selbst, Rolfe, würde an ihm teilnehmen. Es sollte am folgenden Tag stattfinden.
»Aber du kannst das unmöglich«, erklärte sie und vergaß ganz ihre Vorbereitungen, die sie gerade traf, um ins Bett zu gehen.
»Ich kann nicht? Warum?« fragte er stirnrunzelnd.
»Deine Wunde«, sagte sie. »Es ist noch keine vierzehn Tage her …«
Rolfe lachte. »Deine Sorge schmeichelt mir, Leonie, aber sie ist unbegründet.«
»Du verspottest mich, wenn ich es ernst meine«, sagte Leonie gepreßt.
»Sogar du hast gesagt, daß meine Wunde verheilt ist.«
»Ich habe gesagt, daß sie am Abheilen ist. Das ist ein Unterschied.«
»Du kannst dich darauf verlassen, daß ich selbst weiß, ob ich zu etwas in der Lage bin oder nicht.«
»Du hast dich auch zu dieser Reise in der Lage gefühlt«, sagte sie mit scharfer Stimme, »und doch vergißt du, wie ermattet du am ersten Abend warst. Du bist noch nicht wieder bei Kräften. Es wäre der reinste Wahnsinn, wenn du morgen deine Gewandtheit erproben wolltest.«
»Es wäre Wahnsinn, auf die Einwände einer Frau zu hören«, gab er ebenso bissig zurück. »Turniere waren mein Leben, ehe ich nach England gekommen bin. Und diese englischen Ritter stellen keine Herausforderung für mich dar. Ihre Fähigkeiten haben nachgelassen, weil Heinrich den Schildpfennig akzeptiert, statt sie zu ihrem vierzigtägigen Heeresdienst aufzurufen.«
»Mylord«, sagte sie lakonisch, »ein Hieb kann deine Wunde wieder aufreißen lassen.«
»Hör auf, ehe ich wütend werde, Leonie.«
Sie hätte daran denken sollen, daß Rolfe keinen Streit im Schlafzimmer duldete, doch er rief es ihr ins Gedächtnis zurück, als er sie an sich zog und sie heftig küßte.
Das war der Anblick, der sich Wilda bot, als sie in der Tür stand. Sie brachte Mildred und Damian dazu, eilig umzukehren, anschließend machte sie leise die Tür zu.
Leonie hatte das drohend bevorstehende Turnier vergessen. Was zwischen ihr und Rolfe im Zorn begonnen hatte, endete mit süßer Leidenschaft. Aber später, als zärtliche Gefühle für ihren Mann sie durchfluteten, entschied sie, ihm die Entscheidung aus der Hand zu nehmen.
34. KAPITEL
»Das ist nicht recht, Mylady«, sagte Wilda, als sie Leonie widerstrebend den Weinkelch reichte. »Sein Zorn wird alles überbieten, was wir bisher erlebt haben.«
»Was macht das aus, solange ihm nichts zustößt?« fragte Leonie.
»Aber das zu tun, Mylady!«
»Sei ruhig, Wilda!« fauchte Leonie. »Er kann jeden Augenblick zurückkommen, und dann hört er dich.«
»Das ist besser als das, was passiert, wenn die Tat erst getan ist«, murrte Wilda.
Aber Leonie hörte nicht mehr auf sie. Sie öffnete ihren Medizinkorb und fand die Kräuter, die sie brauchte. Sie hatte sie gerade in den Wein gerührt, als Rolfe mit Damian von der Messe zurückkam. Er sah sie finster an, denn er wußte, wie sie über das Turnier dachte.
»Wirst du dich jetzt bereitmachen, Mylord?« fragte Leonie.
»Wirst du mir helfen?« erwiderte er skeptisch.
»Wenn du willst.«
Rolfe schüttelte den Kopf. »Ich schwöre dir, daß ich dich nie verstehen werde, Leonie. Damian wird mir beim Ankleiden helfen. Dich bitte ich lediglich, mehr Vertrauen in mich zu setzen.«
»Deine Geschicklichkeit und dein Können habe ich nie in Zweifel gezogen, Mylord, nur deine gesundheitliche Verfassung. Trink das bitte, und ich werde mir keine Sorgen mehr machen.«
Er beäugte den Weinkelch skeptisch. »Ich brauche keinen Heiltrank, Leonie.«
»Es sind nur ein paar
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