Wenn die Liebe erwacht
verwirrt. »Du hast diese Stoffe für mich gekauft?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Warum?«
Er grinste. »Kannst du dich nicht ganz einfach bedanken? Muß ich denn für alles, was ich tue, einen Grund haben?«
Besorgnis stieg in ihr auf. Wurde sie etwa für ihr Verhalten in der vergangenen Nacht belohnt?
»Wenn das auch nur irgend etwas mit der letzten Nacht zu tun hat …«
Leonie errötete und war außerstande, den Satz in Wildas Gegenwart zu beenden. Sie nickte dem Mädchen zu, um ihm zu bedeuten, es solle verschwinden. Als er mit ihr allein war, drang Rolfe weiter in sie. »Hast du letzte Nacht etwas getan, was rechtfertigt, daß …«
»Nichts, was Geschenke rechtfertigt.« Sie schnitt ihm empört das Wort ab. »Wie kommst du auf den Gedanken?«
»Ich bin nicht darauf gekommen. Ich hatte eigentlich sogar vor, dich nach der letzten Nacht zu fragen.« Er wirkte jetzt weit weniger selbstsicher. »Es scheint, als könnte ich mich nicht erinnern … ich habe keine Erinnerung daran, Westminster verlassen zu haben, nur vage daran, dich hier am unteren Ende der Treppe gefunden zu haben.«
Als sie nichts darauf sagte, sagte er: »Muß ich davon ausgehen, daß ich mich zum Narren gemacht habe?«
Leonie lächelte. »Wenn du heute seltsam angesehen wirst, dann liegt das daran, daß du gestern nacht das halbe Schloß aufgeweckt hast.«
»Und was ist mit dir, Leonie?« fragte er leise. »Ich hätte ungern das Gefühl, dich in irgendeiner Weise gekränkt zu haben.«
Entgeistert sagte sie: »Du hast viel geredet, aber du hast mich nicht gekränkt.« Dann fragte sie vorsichtig: »Erinnerst du dich an gar nichts?«
»Doch, an Einzelheiten, Herzchen«, erwiderte er und sah sie nachdenklich an. »Aber ich bin nicht sicher, ob das ein Traum war oder … habe ich dich in dieses Zimmer getragen?«
Leonie nickte zögernd, und nun veränderte sich Rolfes Verhalten. Er kicherte, und seine Augen funkelten vor männlichem Stolz.
»Das sollte mich lehren, öfter soviel zu trinken.« Er grinste. »Ich habe eine Ewigkeit darauf gewartet, daß du es zuläßt, daß ich wieder mit dir schlafe, und als es endlich soweit war, war ich so betrunken, daß ich mich nur an die Hälfte erinnern kann.«
Leonie spürte die Glut, die wieder in ihre Wangen stieg. Sie fing an zu glauben, daß er das alles nur sagte, damit sie errötete. Ob sie sich wohl jemals an seine Direktheit gewöhnen würde?
»Die Geschenke, Mylord«, erinnerte ihn Leonie.
»Wir sind also wieder bei › Mylord‹ ?«
Leonie senkte ihre Lider.
Rolfe seufzte. »Das hier ist auch für dich.« Er reichte ihr die Schachteln. Als die Frage wieder in ihre Augen trat, warnte er sie: »Begeh nicht den Fehler, mich zu fragen, warum ich dir diese Geschenke mache. Es ist das Recht eines Mannes, sein Geld so auszugeben, wie es ihm paßt.«
»Ist das auch aus Heinrichs Lagern?«
Die Kästen selbst waren schon schön. Der längliche war aus geschnitztem Hartholz, der kleinere aus Silber, das mit Emaillearbeiten verziert war. Sie fürchtete sich fast davor, zu sehen, was sie enthielten.
»Das habe ich letzte Woche bei dem Goldschmied hier in London in Auftrag gegeben. Ich hoffe, es gefällt dir.«
Er wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern wandte sich ab, um zu gehen.
»Ich danke dir sehr, My …«
Leonie ertappte sich selbst bei dem Gebrauch der Anrede, die ihn erboste, und sie sprach nicht weiter, doch es war zu spät. Rolfe drehte sich an der Tür noch einmal um, und seine Miene war unergründlich.
»Wenn du es endlich über dich bringst, meinen Namen mühelos über deine Lippen zu bringen, werde ich glauben, daß du mich liebst. Ich werde auf diesen Tag warten.«
Nachdem er gegangen war, starrte sie die geschlossene Tür an. Sie war vollkommen verwirrt. Warum wollte er unbedingt, daß sie ihn liebte? Er hatte doch Amelias Liebe. Reichte ihm das nicht? Ach, solche Gedanken würden sie ja doch nur wieder unglücklich machen! Sie schüttelte sie ab.
Welche Großzügigkeit! Im länglichen Kasten waren zwei kostbare Gürtel. Einer war auf seine gesamte Länge von eineinhalb Metern aus kleinen Goldplättchen angefertigt, die ineinandergriffen, und auf der blinkenden runden Oberfläche eines jeden war eine winzige Blume eingraviert. Der andere bestand aus Goldketten, die verschieden lang waren und im Abstand von jeweils zehn Zentimetern von einem großen Rubin zusammengehalten wurden. Ein noch größerer Rubin diente als Schnalle. Wenn sie den Gürtel trug, würden die
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