WENN DIE LUST ENTLAMMT
gut?“
Sie setzte sich etwas gerader hin. „Du meinst, obwohl man mich sozusagen gekidnappt hat?“
„Ja, genau.“
„Mir geht es wunderbar.“
„Du hast gesagt, es war ein anstrengender Tag. Wo bist du denn gewesen?“
Sie war vielleicht müde, aber sie war noch nicht tot, und sie würde ganz bestimmt nicht ihr Versagen bei der Jobsuche mit Gabriel diskutieren. „Wo denn wohl? Ich habe mich mit Raoul getroffen, meinem heimlichen Liebhaber.“
„Aha.“ Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Er muss ein toller Kerl sein, wenn er dich mit dem Bus nach Hause fahren lässt.“
Sie zuckte die Achseln. „Was soll ich dazu sagen? Er ist Franzose.“
„Mein herzliches Beileid.“ Seine Stimme klang völlig ernst, aber in seinen grünen Augen blitzte plötzlich ein Anflug von Humor auf.
Das kam wirklich völlig unerwartet. Und gefährlich anziehend. Das sieht ihm ähnlich, dachte Mallory gereizt und betrachtete sein attraktives Gesicht – die hohen Wangenknochen, die breiten Augenbrauen und den sinnlichen Mund, der jeder Frau den Kopf verdrehen könnte. Aber es waren vor allem seine Selbstsicherheit, seine Zielstrebigkeit und seine Intelligenz, die Mallory beeindruckten.
Seine Anziehungskraft brachte sie richtiggehend aus dem Gleichgewicht. Natürlich hatte es nichts zu bedeuten. Mallory erlebte nur wieder die Erregung, die sie immer erfasste,wenn er in ihrer Nähe war.
Und wenn es doch mehr war als das? Wenn sie in diesem magischen Moment auf unerklärliche Weise mit ihm verbunden war?
Ach, das ist bloße Einbildung, wies sie sich ungeduldig zurecht. Solche Gedanken konnte sie sich nicht leisten. Sie hob die Tasse an den Mund, um einen Vorwand zu haben, den Blick von Gabriel abzuwenden. „Warum hast du mir heute überhaupt aufgelauert?“
Er blieb einen Moment still. „Ich wollte dir das hier geben.“ Er holte seine Brieftasche heraus und legte zwei Hunderter und drei Zwanziger auf den Tisch, die genaue Summe, die Mallory ihm für die Bezahlung des Schlossers geschickt hatte.
„Dann hättest du dir eine Reise sparen können“, sagte sie und machte keine Anstalten, das Geld zu nehmen. „Danke für das Angebot, aber da ich kürzlich in den Genuss einer unerwarteten Erbschaft gekommen bin, kann ich es mir leisten …“
„Nein.“ Er presste sekundenlang verärgert die Lippen zusammen, dann entspannte er sich wieder. „Ich nehme dein Geld nicht an, Mallory. Weder für das Abendessen, zu dem ich dich im Grunde gezwungen habe, noch für einen Auftrag, über den du keine Kontrolle hattest.“ Er griff nach ihrer Handtasche, und bevor sie ihn aufhalten konnte, steckte er die Geldscheine hinein.
„Das stimmt nicht“, sagte Mallory sofort und überlegte, dass sie das Geld nachher einfach in seinem Auto liegen lassen konnte, wenn er sich weigerte, Vernunft anzunehmen. „Ich hätte mich weigern können, den Schlosser hereinzulassen.“
„Ja, das stimmt, aber es hätte nichts geändert. Und ich glaube, Sonny hat dir gesagt, dass er seinen Auftrag ausführen muss.“
„Er sagte, dass du dafür sorgen würdest, dass man ihn entlässt, wenn ich ihm nicht erlaubte, die Schlösser anzubringen.“
„Ach?“ Gabriel nickte langsam. „Nun ja, siehst du?“
Etwas an seiner Stimme ließ Mallory stutzen. „Das stimmte gar nicht?“
„Sagen wir mal so. Es wäre schwierig gewesen, das zu tun, da Sonny selbst der Chef ist.“
„Das kann nicht wahr sein! Ihr beide habt mich reingelegt. Macht es dir eigentlich nichts aus, dass ich geglaubt habe, du könntest so skrupellos sein?“
„Nein, weil du so wenigstens zugelassen hast, dass er deine Wohnung etwas sicherer macht.“
Die ungezwungene Antwort nahm ihr den Atem. Sie hätte eigentlich böse sein müssen wegen seiner frechen Anmaßung und hinterhältigen Einmischung. Aber stattdessen verblüffte sie die Vorstellung, dass er sich tatsächlich Sorgen um sie gemacht hatte. Ihr eigener Vater hatte es jedenfalls nicht.
Genau. Der Gedanke gab ihr die Kraft, sich zu fangen . Statt Herzklopfen zu bekommen und Tränen der Rührung zu vergießen, wäre jetzt vielleicht der richtige Augenblick, dich daran zu erinnern, dass du – was Gabriel auch tun mag – immer noch lernen musst, allein auf dich aufzupassen.
Gabriel deutete ihr Schweigen falsch und hob eine Hand. „Um einem Missverständnis vorzubeugen – da du immer davon auszugehen scheinst, dass ich bei allem einen Hintergedanken habe – ich sage das nicht, um dich ins Bett zu kriegen.“
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