WENN DIE LUST ENTLAMMT
verschwunden.
„Was?“
„Warum bist du heute zu mir gekommen? Ich meine, wirklich.“
„Habe ich dir doch gesagt. Der Scheck …“
„Nein“, unterbrach sie ihn fest, drehte sich halb zu ihm um, um ihn besser sehen zu können, und zog ein Bein auf den Sitz. „Wenn das deine einzige Absicht gewesen wäre, hättest du mir den Scheck einfach zuschicken oder mich anrufen können, um mir zu sagen, dass du ihn zerrissen hast. Du hättest nicht persönlich zu kommen brauchen.“
„Okay.“ Er neigte leicht den Kopf. „Du hast mich durchschaut.Ich wollte sichergehen, dass du okay bist. Ich habe dir schon gesagt, dass du nicht in diese Gegend gehörst, und vorhin hast du bewiesen, dass ich recht hatte.“
Sie ignorierte seine letzte Bemerkung. „Na schön. Aber warum ist es dir so wichtig? Warum ausgerechnet jetzt, nachdem ich schon seit Monaten hier wohne?“
„Das ist nicht schwer zu kapieren, Mallory. Bis wir uns letzte Woche über den Weg liefen, wusste ich nicht, dass du Hilfe brauchst. Jetzt weiß ich es.“
„Und du fühlst dich verpflichtet, mir zu helfen?“
„So würde ich es vielleicht nicht ausdrücken, aber im Großen und Ganzen, ja.“
Sie zögerte einen Moment, dann fragte sie leise: „Ist es wegen meines Vaters? Fühlst du dich schuldig, weil du ihn hast auffliegen lassen?“
Er war kurz versucht, die Frage zu umgehen, weil er sich vorstellen konnte, dass Mallory ihren Vater immer noch verteidigte. Aber in diesem Fall schuldete er ihr die Wahrheit. „Nein, bestimmt nicht“, sagte er fest. „Du hörst es vielleicht nicht gern, aber meiner Meinung nach gehört dein Vater ins Gefängnis, und nicht auf eine exotische Insel, wo er auf Kosten anderer Leute auf großem Fuß lebt und sich die Sonne auf den Pelz scheinen lässt.“
„Oh.“
Da er auf sehr viel heftigeren Protest gefasst gewesen war, kam ihre knappe Antwort völlig unerwartet. Gabriel fand, dass es besser wäre, die Situation sofort zu klären. Also fuhr er an den Straßenrand vor ihrem Wohnhaus, stellte den Motor aus und drehte sich zu ihr um. „Was soll das heißen, Mallory? Oh, ich bin tatsächlich der kaltschnäuzige Mistkerl, für den du mich gehalten hast?“
Sie lächelte leicht. „Nein, wohl eher: Oh, ich begreife immer noch nichts. Denn wenn du nicht wegen meines Vaters gekommen bist und auch keinen Sex willst, was ist danndein Motiv, Gabriel? Warum ist es dir so wichtig, was mit mir geschieht?“
„Warum nicht? Wir sind schließlich Freunde, oder zumindest waren wir es …“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das stimmt nicht. Vielleicht kenne ich mich auf dem Gebiet nicht so gut aus“, fügte sie hinzu, „aber selbst ich weiß, dass Freunde Zeit zusammen verbringen, miteinander reden, alles über die Träume und Eigenarten des anderen wissen, manchmal sogar einige seiner Geheimnisse kennen. Während du und ich eher Bekannte waren, die vielleicht insgeheim wild aufeinander waren, aber nie etwas getan haben, um sich näherzukommen.“
Es hätte ihn eigentlich freuen müssen, dass sie das gleiche Verlangen empfand wie er. Die nüchterne Art, mit der sie jede engere Beziehung zu ihm leugnete, versetzte diesem Gefühl allerdings einen gehörigen Dämpfer. „Es ist mehr als das. Aber was ich sagen wollte, ist, dass dein Vater das Schlimmste verdient, was das Rechtssystem unseres Landes ihm aufbürden kann, aber dass du … du warst bei all dem nur ein unschuldiges Opfer. Und trotzdem hast du sozusagen die Prügel für ihn einstecken müssen, und wie man es auch bezeichnen will – als Justizirrtum oder einen unglaublichen Fehler –, es hätte nie passieren dürfen.“
„Du meinst, was mit mir geschehen ist, kann man als eine Art unerwünschte Nebenwirkung deiner gelungenen Operation bezeichnen?
Wenn er nicht so sehr damit beschäftigt gewesen wäre, seine nächsten Worte zu überlegen, wäre ihm der Ton in ihrer Stimme vielleicht eine Warnung gewesen. „Sicher könnte man es so nennen, aber die Bezeichnung ist nicht wichtig. Was zählt, ist, dass es unannehmbar ist. Du hättest nicht alles verlieren dürfen, während dein Vater sorglos in Saus und Braus lebt.“
„Und du bist hier, um diesen Schaden wiedergutzumachen?“
„Ja.“ Er fügte hastig hinzu: „Wenn du es mir erlaubst.“
„Ich verstehe. Nun, hier ist meine Antwort.“ Sie sah ihn mit einer so offenen Wut an, dass nur ein Blinder sie nicht bemerkt hätte. „Geh zum Teufel.“
Sie griff nach ihrer Tasche, stieß die Tür auf
Weitere Kostenlose Bücher