WENN DIE LUST ENTLAMMT

wissen, nehme ich an. Dass er aus einer Militärfamilie kommt, dass er der älteste von einem ganzen Haufen Brüdern ist. Dass seine Firma ein Riesenerfolg ist und alle ihn zu respektieren scheinen.“
    „Das stimmt alles so weit. Aber was du wissen musst, wenn du ihn verstehen willst, ist, dass er vierzehn Jahre alt war, als er seine Mutter bei einem Autounfall verlor. Jake, das Nesthäkchen der Familie, war noch nicht ganz zwei, und weitere sieben Brüder gab es auch noch. Dominic sagte mir, dass ihr Vater, ein Mechaniker bei der Armee und einer dieser großen, starken, stillen Typen, daraufhin zusammenbrach. Er vertrank zwar einiges an der Bar, sorgte aber finanziell für die Familie. Aber ansonsten waren die Jungs auf sich selbst gestellt.
    Ich glaube, sie wären alle im Heim geendet, wenn Gabrielnicht gewesen wäre. Sie standen alle unter Schock, aber er kümmerte sich um sie, sorgte dafür, dass sie saubere Kleidung und genug zu essen hatten, überprüfte ihre Hausaufgaben, brachte sie zu Bett, besorgte ein Kindermädchen und kümmerte sich um ihre Arzttermine. Im Grunde übernahm er die Rolle des Vaters. Eli hat mir einmal gesagt, dass es Gabriel war, und nicht ihr Vater, der nachts zu ihm und den anderen kam, um sie zu trösten, wenn sie Albträume hatten oder um ihre Mutter weinten.
    Und bei all diesen Verpflichtungen schaffte er es, auch in der Schule vorbildlich zu sein, und hatte darüber hinaus einen Teilzeitjob. Schließlich bekam er ein Stipendium für das hiesige College, obwohl er sich immer noch um die jüngeren seiner Brüder kümmerte. Und dann heiratete ihr Vater völlig unerwartet ein zweites Mal, und Gabriel konnte endlich zum Militär gehen, wie er es sich schon immer gewünscht hatte.
    Dominic sagt, er sei die Karriereleiter in einem Wahnsinnstempo hinaufgestiegen und übernahm Spezialeinsätze überall in der Welt, als sein Vater sich von seiner zweiten Frau scheiden ließ und seinen Söhnen plötzlich verkündete, dass er sich auf die Philippinen zurückziehen wolle. Gabriel blieb keine Wahl, als den Dienst zu quittieren, nach Hause zu kommen und den jüngsten Brüdern, Josh, Eli, Jordan und Jake ein sicheres Heim zu bieten.“
    Lilah setzte sich bequemer hin und presste unbewusst eine Hand auf den Rücken. „Seine Brüder halten ihn für einen Gott, was dich nicht überraschen dürfte, andererseits geben sie zu, dass er sehr schonungslos sein kann, wenn er glaubt, dass etwas nicht erledigt wurde, was er für nötig hielt.
    Was ich zu sagen versuche, Mallory, ist, dass er kein Mann ist, der die Dinge leichtnimmt. Wenn er etwas für jemanden empfindet, dann mit ganzer Seele, und wenn er etwas anfängt, dann bringt er es auch zum Abschluss. Allerdingshat er sich, soviel ich weiß, außer seiner Familie niemandem sonst geöffnet – auch keiner Frau. Also pass auf dein Herz auf, okay?“
    Mallory war noch ganz damit beschäftigt, die Informationen zu verarbeiten, die sie bekommen hatte, und es dauerte einen Moment, bevor Lilahs letzte Bemerkung zu ihr durchdrang. Sie war gerührt, dass Lilah sich ihretwegen Sorgen machte.
    „Ich … danke“, sagte sie verlegen und versuchte, die ernste Stimmung ein wenig aufzulockern. „Aber du brauchst dir um mich keine Gedanken zu machen. Frag Nikki, und sie wird dir nur allzu gern verraten, dass wir Morgans kein Herz besitzen.“
    „Ja, sicher“, antwortete Lilah trocken. „Als ob mich eine Frau beeinflussen könnte, die mir gerade vor zwei Tagen anvertraute, dass sie vorhabe, den Hunger in der Welt zu beenden, indem sie überall die reichen Leute dazu überreden wolle, ihre Essensreste aufzuheben. Ich bitte dich!“
    Mallory lachte. „Das ist nicht dein Ernst.“
    „Oh doch, aber das wirklich Traurige ist, dass ich in letzter Zeit nur ans Essen zu denken brauche, um sofort einen Riesenhunger zu bekommen. Was meinst du?“ Lilah stand schwerfällig auf und sah Mallory hoffungsvoll an. „Hast du Zeit, mit mir zu Mittag zu essen?“
    „Da es zwölf Uhr ist und ich schon seit sechs im Büro bin, nehme ich mir die Zeit einfach. Außerdem bin ich immer hungrig.“
    Über Gabriel wollte sie später nachdenken.

8. KAPITEL
    Nach einer anstrengenden siebzehnstündigen Reise hatte Gabriel eigentlich die Absicht gehabt, nach Hause zu fahren, eine heiße Dusche zu nehmen und endlich eine ganze Nacht durchzuschlafen. Und was ihm noch wichtiger war, nach fast zwei Wochen, die er ständig mit seinem Bruder Dominic zusammen gewesen war, wollte er all das