WENN DIE LUST ENTLAMMT
offensichtlich? Du bittest mich, bei dir zu übernachten, und jetzt hast du mich endgültig am Hals.“
„Glaubst du das wirklich?“
Sie zuckte die Achseln. „Im Ernst, Gabriel, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich bin nicht sicher, wann ich wieder bereit sein werde, in meine Wohnung zurückzuziehen. Aber bis dahin kann ich mir mit dem Geld, das ich gespart habe, irgendwo ein Zimmer mieten. Gleich morgen früh suche ich …“
„Quatsch.“
„Was?“ Sie musste sich verhört haben.
„Vielleicht will ich dich ja am Hals haben“, sagte er trocken. „Der Himmel weiß, dass ich es satt habe, ständig Angst um dich haben zu müssen.“
Sie erstarrte. „Ich dachte, dass hätten wir geklärt. Du bist nicht für mich verantwortlich.“
„Nein, das bin ich nicht, aber das heißt nicht, das es mir egal ist, was mit dir geschieht, verdammt noch mal.“ Für einen Moment war er über die Heftigkeit, mit der er dieseWorte ausgesprochen hatte, selbst verblüfft, redete dann aber einfach weiter.
„Ich gebe zu, dass ich ziemlich geschockt war, zu sehen, dass sich jemand an deiner Tür zu schaffen gemacht hat“, sagte er und trat voller Ungeduld ans Fenster. „Und wenn ich daran denke, was hätte geschehen können, wenn du zu Hause gewesen wärst, bricht mir der kalte Schweiß aus. Aber nur weil ich möchte, dass du in Sicherheit bist, Mallory. Und wenn das ein Verbrechen ist, dann kannst du mich genauso gut jetzt gleich verurteilen, weil sich das nicht ändern wird, das kann ich dir jetzt schon sagen.“
Er hatte tatsächlich Angst gehabt? Um sie? Der einzige Mensch auf Erden, den sie für völlig furchtlos gehalten hatte? Sie schluckte mühsam. „Gabriel …“
„Und was das Zimmer angeht, das du suchen willst“, fuhr er fort, „kannst du ja eins bei mir mieten, wenn es dir so wichtig ist, selbst für dich aufzukommen. Drei Zimmer in meiner Wohnung stehen leer. Aber ich wünschte wirklich, du würdest einfach damit einverstanden sein, dir eins mit mir zu teilen.“
„In Ordnung.“ Sie schluckte wieder. „Das werde ich.“
„Was wirst du?“
„Wenn du willst, dass ich bei dir wohne, ist es okay, wenigstens für eine kurze Zeit.“ Nur so lange, bis ich weiß, wohin mit mir, sagte sie sich. „Aber glaubst du … könnten wir das später besprechen?“ Zu ihrem Entsetzen setzte genau in diesem Augenblick die verspätete Reaktion auf den Einbruch ein, und ihre Stimme fing an zu zittern. „Hättest du etwas dagegen, mich jetzt einfach nur … könntest du mich in den Arm nehmen? Bitte?“
Er war bei ihr, bevor sie das letzte Wort ganz ausgesprochen hatte. Mit einem Seufzer der Erleichterung schlang sie die Arme um seinen starken warmen Nacken und ließ sich von Gabriel zum Bett tragen, wo er sich an das Kopfendelehnte und Mallory auf seinen Schoß zog.
„Entschuldige, ich wollte mich nicht wie ein Baby benehmen.“ Aber das stimmte nicht ganz. Es war unvergleichlich schön, sich an jemanden anlehnen zu können – nein, nicht an irgendjemanden, sondern an Gabriel –, wenn auch nur für einen Moment. Sie legte die Wange an seine Schulter, schloss die Augen und genoss die Wärme, die von ihm ausging und die die Kälte in ihrem Innern vollkommen vertrieb.
„Ich denke auch ständig daran, was hätte geschehen können“, gab sie zu. „Bei der Vorstellung, wie jemand meine Unterwäsche betatscht, bekomme ich eine Gänsehaut. Und dann sagst du, dass du dir Sorgen machst um mich …“ Sie holte tief Luft. „Niemand hat sich je Sorgen um mich gemacht …“
„Pscht.“ Er streichelte ihr tröstend den Rücken. „Ganz ruhig, Baby. Du hast heute viel durchgemacht, aber jetzt ist alles okay. Ich wollte dich nicht aus der Fassung bringen.“
„Oh, das hast du auch nicht“, protestierte sie. „Nicht so, wie du denkst.“ Sie lauschte dem regelmäßigen Schlagen seines Herzens und spürte die Kraft, die von seinem durchtrainierten schlanken Körper ausging. Und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie sich zum ersten Mal seit Monaten, vielleicht sogar Jahren, sicher fühlte.
Sekundenlang verschlug ihr die Ironie des Ganzen die Sprache. Dass ausgerechnet der Mann, der für sie immer eine Gefahr für ihren Seelenfrieden dargestellt hatte, jetzt der Einzige war, dem sie vertraute. Das war das unglaublichste Geschenk von allen, und Mallory wünschte sich plötzlich, sie könnte ihm dafür etwas ähnlich Wichtiges schenken. Das einzig Bedeutungsvolle, das sie ihm allerdings geben konnte,
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