Wenn die Mandelblueten bluehen
Daisy, hatte sich geweigert. Ihre Schwestern und ihre Mutter fühlten sich inzwischen in Amerika heimisch, aber ihr war bei ihren beiden Besuchen alles fremd erschienen. Vielleicht weil es ihren Vater nicht mehr gab oder weil sie eine verheiratete Frau mit einem eigenen Zuhause gewesen war - jedenfalls hatte sie sich dagegen entschieden, sich ihrer Familie anzuschließen, und sich lieber weiter allein durchs Leben geschlagen.
Auf der Fahrt nach Meran plauderte Slade gelegentlich mit ihr, ohne tief schürfende Bemerkungen von ihr zu erwarten, und allmählich fühlte Daisy sich besser.
"Hier möchte ich Mittag essen." Er bog von der Straße ab und fuhr auf den großen, kopfsteingepflasterten Hof eines alten Gasthauses. Sonnenlicht fiel durch die Blätter der Orangenbäume und malte goldene Kringel auf den Boden, und hinter dem Haus erhoben sich majestätisch die Gipfel der Alpen.
"Was für ein herrliches Fleckchen Erde!" Daisy stieg aus und atmete tief den Duft der Orangenblüten und die frische, klare Luft ein.
"Ja, und es ist nur eins von vielen in unserem Land", stimmte Slade ihr stolz zu, und sie fand dieses Eingeständnis liebenswert, weil er sonst so kühl und herrisch war.
Liebenswert? fragte sie sich dann erschrocken. Wie kam sie auf das Wort? Sie hatte Ronald früher auch liebenswert gefunden und an ihm geschätzt, dass es ihn scheinbar nicht beeindruckte, wie die Frauen ihn bewunderten. Sein Ehrgeiz, eine eigene Firma zu besitzen - für sie beide natürlich -, und seine Ergebenheit ihr gegenüber hatten sie stolz gemacht. Aber er war, wie Daisy nun wusste, ein kaltblütiger Heuchler!
Wie dumm ich war, tadelte sie sich und presste die Lippen zusammen. Aus ihren Fehlern hatte sie auf schmerzliche Weise gelernt, dass man nie wusste, was in einem anderen Menschen wirklich vorging.
"Die Cannelloni kann ich wirklich empfehlen. Oder möchten Sie lieber Carpaccio?"
Slades Bemerkung brachte sie in die Gegenwart zurück, und Daisy versuchte, die Geister der Vergangenheit zu
verscheuchen.
"Carpaccio?" wiederholte sie. Er hakte sie unter, eine höfliche Geste, aber Daisy musste sich zwingen, nicht zurückzuzucken. Sie mochte es nicht, wenn Slade ihr zu nahe kam. Sie mochte ihn nicht! "Was genau ist das?"
"Sie haben das noch nie gegessen?" Gespielt bekümmert schüttelte er den Kopf. "Ich sehe schon, ich muss Ihnen die Feinheiten des Lebens näher bringen, Miss Summers." Er betrachtete ihre abweisende Miene und erklärte amüsiert:
"Carpaccio besteht aus hauchdünnen Scheiben Rinderfilet, die mit Marinade beträufelt und fein gehobeltem Parmesan bestreut werden. Es ist wirklich lecker, vor allem wenn man ein Glas fruchtigen Rotwein dazu trinkt. Die Weine dieser Region sind unübertroffen."
Drinnen war das Gebäude noch anheimelnder als von außen, und die Einrichtung war typisch italienisch. An den weiß getünchten Wänden hingen bunte Keramikteller, und auf dem gefliesten Boden standen Töpfe mit Blumen und Farnen.
Slade führte Daisy zu einem Tisch neben den offen stehenden Terrassentüren. Auf den Steinen draußen lagen zwei gut genährte Katzen in der Sonne.
Das hier war wirklich wie eine andere Welt, eine Welt voller Licht, Farben und Wärme. Plötzlich dachte Daisy nicht länger an England und die Schrecken der vergangenen Monate, sondern war zum ersten Mal seit langem beinah glücklich.
"So ist es schon besser!" Er klang zufrieden.
"Was?" fragte sie verwirrt.
"Sie entspannen sich endlich", erklärte er und lächelte über ihre empörte Miene.
Das Carpaccio war wirklich ausgezeichnet, und Daisy aß mit großem Appetit. "Das war herrlich!" Sie seufzte zufrieden und lehnte sich in dem gepolsterten Korbsessel zurück. Die zwei Gläser Wein, die sie getrunken hatte, hatten Farbe in ihre sonst so blassen Wangen gezaubert. "Vielen Dank, Slade."
"Es war mir ein Vergnügen. Sie sind also doch keine Frau, die auf einem Salatblatt und zwei Karotten zum Mittagessen besteht."
"Dachten Sie das denn von mir?" Pikiert straffte sie sich, und ihr Wohlbehagen verflüchtigte sich.
Er zuckte die Schultern, aber sein amüsierter
Gesichtsausdruck verriet ihr, wie sehr ihre Empörung Slade belustigte. "Ich war mir nicht sicher. Sie wären nicht die erste und nicht die letzte Frau, die dem modernen Schlankheitswahn verfallen ist."
Fand er sie zu mager? "Sie mögen wahrscheinlich üppige Frauen, stimmt's?" fragte sie hochmütig, um ihre Wut zu überspielen.
"O nein, ich mag sie, wie die Natur sie geschaffen hat, ob
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