Wenn die Mandelblueten bluehen
Der weitläufige Garten war ein einziges Farbenmeer, und es roch nach verbranntem Laub - ein Geruch, der Daisy an England erinnerte. Dann fuhren sie um eine Kurve, und das Haus lag vor ihnen.
"Das ist Festina Lente", sagte Slade, während Daisy das elegante Gebäude betrachtete. "Es ist kein Familiensitz im eigentlichen Sinn, denn ich habe es gekauft, aber ich beabsichtige, es an Francesco zu vererben, der es ebenso sehr liebt wie ich."
Daisy nickte nur. Sie hatte kein so großartiges Anwesen erwartet, obwohl sie wusste, dass Slade sehr reich war.
Eine Freitreppe führte zu der massiven Eingangstür des Hauses, das wie ein Märchenschloss anmutete mit den runden Türmen an jeder Ecke, den Giebeln und Zinnen und dem dunkelroten Ziegeldach. Efeu und Kletterrosen bedeckten die weiß gestrichenen Mauern.
Auf den schmiedeeisernen Balkonen im ersten und zweiten Stock prangten Blumenkästen mit leuchtend roten und rosafarbenen Geranien, rote und violette Bougainvilleen hingen an manchen Stellen bis zum Erdgeschoss herab.
Mandel-, Orangen-und Zitronenbäume umgaben das Haus und erfüllten den Garten mit zartem Duft. Alles besaß einen ganz eigenen Zauber, und plötzlich war Daisy die Kehle wie zugeschnürt. Es war wie ein Traum, von dem man nie erwartete, dass er in Erfüllung ging, und sie durfte tatsächlich eine Zeit lang hier leben! Freude durchzuckte sie. Wenn sie irgendwo zur Ruhe kommen konnte, dann hier.
Slade hatte sie beobachtet und schien mit ihrer Reaktion zufrieden zu sein. Er stieg aus, ging ums Auto und half ihr beim Aussteigen.
Die Haustür wurde geöffnet, und auf der Schwelle standen eine füllige, ältere Frau und ein großes, schlankes Mädchen, zwischen ihnen ein kleiner Junge, der noch zarter als auf dem Foto wirkte.
Daisy und Slade gingen die Stufen hinauf, und Francesco kam ihnen entgegen.
"Wie geht es Ihnen?" fragte er höflich, streckte die Hand aus und blickte zu Daisy auf. "Ich bin Francesco, und ich freue mich sehr, dass Sie bei uns bleiben."
Das klang einstudiert, und er blickte flüchtig zu seinem Vater.
Daisy zögerte kurz, dann hockte sie sich spontan hin und sah ihm ins Gesicht. "Hallo, Francesco", sagte sie freundlich und zog ihn in die Arme. Er verkrampfte sich einen Augenblick lang, doch schließlich legte er ihr die Arme um den Nacken und schmiegte sich an sie.
Sie presste den Jungen kurz an sich, bevor sie ihn sanft wegschob. Um sich ihre Rührung nicht anmerken zu lassen, bat sie freundlich: "Ich würde gern dein Zuhause sehen, Francesco.
Zeigst du es mir?"
Wieder blickte er zu seinem Vater auf, und als dieser nickte, sagte der Junge, diesmal weniger gestelzt: "Ich zeige Ihnen zuerst Ihre Zimmer, Signorina Summers, dann ..."
"Francesco", unterbrach Slade ihn und runzelte die Stirn.
"Was habe ich dir gesagt? Du sollst Englisch sprechen. Wie lautet die Anrede richtig?"
Sofort wirkte der Kleine befangen. "Ich zeige Ihnen Ihre Zimmer, Miss Summers", wiederholte er formell.
"Meine Freunde nennen mich Daisy, Francesco, und wir beide werden doch gute Freunde sein, stimmt's?"
"Ja, aber mein Vater ..."
"Er wusste nicht, wie ich angesprochen werden möchte."
Daisy lächelte Slade an, der noch immer die Stirn runzelte.
"Jetzt weiß er es, und du darfst mich Daisy nennen."
Das Kind hat Angst vor seinem Vater, dachte sie wütend.
Und falls der glaubte, sie würde eine "mütterliche Bezugsperson" darstellen und sich dabei mit "Miss Summers"
anreden lassen, hatte er sich geirrt! Das war ja lachhaft. Wie sollte sie jemals das Vertrauen des Kleinen erringen, wenn er sie so nennen musste?
"Francesco, bevor du Miss Summers alles zeigst, geh bitte zu Mario, und sag ihm, er soll das Gepäck ins Haus bringen", erklärte Slade streng. "Wir warten dann im Salon auf dich."
"Ja, Papa."
Der Kleine wäre offensichtlich lieber bei ihr geblieben, wurde aber weggeschickt, nachdem Slade sie der Haushälterin Isabella und dem Kindermädchen Angelica vorgestellt hatte.
Isabella eilte in die Küche, um Kaffee zu machen, während er sie, Daisy, durch die feudale Eingangshalle mit der breiten, geschwungenen Treppe, dem Marmorboden und den
Kristallleuchtern in den Salon führte.
Ihr blieb keine Zeit, die großartige Einrichtung zu betrachten, denn Slade sagte kühl: "Als Erstes möchte ich einiges klarstellen, Daisy." Er bedeutete ihr, sich zu setzen.
"Ja?" Sie ahnte, was jetzt kommen würde. Trotzig hob sie das Kinn und blieb stehen.
"Wie ich Ihnen schon sagte, haben die Eltern meiner Frau
Weitere Kostenlose Bücher