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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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von Tante Lou.
    »Dann hat sie also gewusst, wer wir sind«, meinte Virgie, deren Kopf noch immer auf dem Kissen lag, während ihre Augen sekündlich größer wurden. »Sie hatte sogar eine Art Verbindung zu uns. Und du glaubst wirklich, dass sie im Gottesdienst so aufgewühlt war?«
    »Sie war völlig aufgelöst.«
    »Wir wissen aber nicht, dass sie schwanger war und ein Kind zur Welt gebracht hat.«
    »Tja, wir wissen auch nicht, ob morgens die Sonne aufgeht, aber sie tut es trotzdem.« Ich hatte gehört, wie Papa das einmal gesagt hatte, und fand immer, dass es ausgesprochen klug klang.
    »Wovon redest du?«, fragte Virgie und rieb sich mit einer Hand die Augen.
    Ich wollte keine Zeit mit irgendwelchen Sonnenschein-Erklärungen verlieren. »Wir werden’s nur herausfinden, wenn wir mit ihr reden.«
    »Du hast also nicht mit dem Talbert-Mädchen darüber gesprochen?«
    »Mit Lou Ellen? Nein, ich hab sie nicht gefragt.«
    Sie stützte sich mit den Ellbogen auf und sah auf mich herab. »Und warum nicht?«
    Ich folgte ihrem Beispiel und erhob mich ebenfalls auf meine Ellbogen. »Wie hätte ich sie fragen sollen? Hätte ich einfach sagen sollen: ›Übrigens – weißt du, ob deine Tante ein Baby hatte, von dem niemand wusste und dass sie dann einfach so in unseren Brunnen geworfen hat?‹«
    »Psst«, murmelte Virgie und sah in Richtung der Küche. »Jetzt reg dich wieder ab. Ich dachte nur, dass es vielleicht leichter wäre, sie zu fragen als eine erwachsene Frau, die wir nicht kennen.«
    »Und warum glaubst du, dass sie ihrer Nichte von einem Baby erzählen würde? Oder davon, dass sie eines weggeworfen hat?«
    Virgie ließ sich mit einem Wusch wieder auf ihr Kissen fallen, und ich wunderte mich, dass sich die Nadeln in ihren Locken nicht in ihr Gehirn bohrten. Sie lag flach da, während ich mich im Schneidersitz aufsetzte, so dass mein Knie gegen ihr linkes Bein drückte. Doch sie ließ ihr Bein dort liegen und sah mich nicht einmal an.
    »Kann man ein Baby geheim halten?«, fragte sie, das Gesicht zur Hälfte im Kopfkissen vergraben.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Wenn es nicht ständig weint.« Doch dann erinnerte ich mich an etwas. »Sie ist doch aus Brilliant. Sie könnte es also geheim gehalten haben, weil das Baby gar nie hier war. Weil es nie in Lou Ellens Zuhause gesehen wurde.«
    »Du könntest Recht haben, Tess«, erwiderte Virgie und zog ihre Knie an, so dass sie gegen meines schlugen. »Es könnte wirklich diese Frau sein.«
    Sie lag da, und ich saß da, und es war so still, dass ich hörte, wie ein Ei in der Pfanne aufgeschlagen wurde. Dann wurde die Ofentür aufgemacht. Vielleicht waren die Fladen jetzt fertig.
    »Also, was sollen wir tun?«, fragte ich. »Es Papa sagen? Ihn bitten, Sheriff Taylor Bescheid zu geben?«
    Sie war bereits aus dem Bett gesprungen und holte ein Kleid aus dem Schrank, ehe sie antwortete. »Nein. Wir gehen zu ihr und reden selber mit ihr.«
    Ich fand zwar nicht, dass das eine tolle Idee war. Aber ich war zugegebenermaßen auch sehr neugierig.
     
    Leta
    Jack hatte von der Veranda aus ein Eichhörnchen geschossen, das ich in den Eintopf tat, den es zum Abendessen gab. Wir hatten in letzter Zeit sehr viel Gemüseeintopf und Maisbrot gehabt – sättigendes Essen, durch das die Kinder Fleisch nicht allzu sehr vermissten. Aber Eichhörnchen eignete sich perfekt für einen Eintopf, denn das Fleisch besaß zu viel Eigengeschmack, um es allein zu essen.
    Alle schnitten ihr geröstetes Maisbrot in Dreiecke und löffelten dann den Eintopf auf ihre Teller. Sie kosteten einen Bissen davon und erklärten Jack, wie lecker es schmeckte. Er strahlte jedes Mal, wenn er sich einen Löffel in den Mund schob.
    »Das nächste Mal schieß ich ein Kaninchen«, erklärte er.
    »Lieber ein Reh«, meinte Tess.
    »Dann kann er genauso gut einen Büffel erlegen«, sagte Albert, der die Augen nicht von seinem Teller hob. Zum ersten Mal seit längerer Zeit aß er wieder gemeinsam mit den Kindern, und ich hoffte, dass er fertig sein würde, bevor er einschlief und mit dem Gesicht voran in seinen Eintopf fiel.
    »Ich könnte ein Reh erlegen«, erklärte Jack. »Wirklich.«
    Niemand widersprach ihm. Ich dachte, dass der Eintopf etwas mehr Pfeffer hätte vertragen können. Und vielleicht einen Hauch mehr Zwiebel.
    »Wir haben über das Baby im Brunnen nachgedacht«, meinte Virgie mit gesenktem Kopf, während sie sich den Mund abwischte. »Darüber, wie …«
    Albert schüttelte den Kopf, als er sie

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