Wenn Die Nacht Beginnt
Fahrrad, das über Schlaglöcher hüpft. Ich könnte mir etwas Besseres leisten, aber dazu müsste ich mehr arbeiten, und dann würde ich mehr besitzen, und Besitz beschneidet deine Freiheit.
Ich kam abseits von Clay herein, bei einem Block von Eigentumswohnungen, der wie eine Festung gemauert ist. Dort leben Leute, die mehr verdienen als Gott. Ein alter schwarzer Hund mit hängendem Schwanz lief gemächlich über die Straße und fixierte mich.
Unten an der Straße standen vier Holzhäuser mit Veranden, die üppig mit Pflanzen bewachsen waren. Auf einer Veranda war zwischen den Pfosten eine Leine gespannt, auf der verkehrt herum zimtfarbene Arbeitsjacken hingen, mit baumelnden Ärmeln wie tote Männer, die man zur Abschreckung aufgehängt hat.
Ich ließ meinen alten, braunen, ächzenden Plymouth vorsichtig über Schlaglöcher rollen, die schlimmer waren als die in meiner Straße. Ich kam zu einem Parkplatz voller Wasserpfützen und Unkraut. Mir gegenüber befanden sich sechs kleine Häuser, die im hohen Gras eingesunken waren und ihre Farbe verloren hatten. Ein Kinderwagen lehnte an einem Baumstumpf in einem Hof, und im nächsten Hof standen so viele verrostete Gerätschaften herum, dass sie dich einluden, reinzukommen und dich umzusehen. Dort, vor dem nächsten Haus, saß eine Frau auf einer Terrassenschaukel, genau wie sie gesagt hatte.
Ich parkte mein Auto, stieg aus und überquerte einen Entwässerungsgraben, der mit knirschendem Abfall bedeckt war. Als ich Minnie Chaundelle genauer zu sehen bekam, zog ich, fast ohne es zu merken, den Bauch ein, bevor sie mich betrachten konnte. Sie sprach in ein blaues Handy und trug ein dunkelrotes Kleid, das mit orangefarbener Stickerei verziert war. Der Rock breitete sich von einem Ende der Bank bis zum anderen aus, und an den Füßen hatte sie mit Goldfäden durchzogene Pantoffeln, wie sie japanische Damen tragen.
»Miz Bazile?«
»Ich ruf dich später zurück, Allysene«, sagte sie, schaltete das Handy aus und ließ es zwischen ihren Oberschenkel und die Seitenwand der Schaukel gleiten. Von ihrem Äußeren und Verhalten her konnte man sie für Mitte Dreißig halten, aber ich wusste von jemandem, dass sie gerade dreißig Jahre alt geworden war.
Ich streckte meine Hand aus. »Cisroe Perkins.«
»Minnie Chaundelle«, erwiderte sie und ergriff meine Hand.
Ihre Haut war feucht von der Hitze und glänzte wie dunkler Honig. Mit einer Geste lud sie mich ein, auf einem Fass mit einem roten Polster obendrauf Platz zu nehmen, und wir unterhielten uns dort zwischen ihren Farnen und Hängebegonien. Die Luft war erfüllt von einem süßen, vertrauten Duft, der sich mit dem eines Jasminbusches an einer Hauswand vermischte.
»Der Name meines Bruders ist Verlyn Venable«, sagte sie. »Er ist vierundzwanzig und immer noch nicht trocken hinter den Ohren.«
Ich nahm einen Notizblock heraus, nickte und machte ein Gesicht, als ob ich alles wusste.
»Er hatte 'nen guten Job«, fuhr sie fort. »Einen guten Job. Hab ich ihm besorgt, über 'nen Freund von mir. Lief alles super, und dann löst er sich ganz plötzlich in Luft auf. Die schulden ihm noch einen Monatslohn, aber sie können ihn nicht finden. Ich hab seine Nummer gewählt, immer und immer wieder. Was für eine Art Mensch ist das, die zu dumm ist, um die Goldtaler aufzufangen, die vom Himmel fallen?«
Sie sagte alle diese Wörter der Sorge, aber ihre Stimme hätte einen Rotluchs in einem Feld voller Pfeffersträucher zähmen können.
»Sein Chef hat ihn sogar in seiner Wohnung gesucht. Wie ich schon sagte, sie mochten ihn. Aber Geduld kann schnell dahin sein.«
Ich fragte: »Wann haben Sie Ihren Bruder das letzte Mal gesehen, Miz Bazile?«
Sie rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, als ob sie ein Feuer anfachen wollte.
»Er kam letzte Woche hier vorbei. Sagte, ich soll was für ihn aufbewahren. Ich sage: ›Wie lange?‹ Und er sagt: ›Ach, einen Tag oder zwei.‹ Seit sechs Tagen hab ich jetzt nix mehr gehört. Drei Tage lang ist er nicht auf Arbeit erschienen.«
Sie schnipste etwas Dunkles von der Armlehne. Es schlug hart gegen die Wand und landete in einem weißen Plastikbehälter vom U.S. Post Office, wie ihn die Leute gefüllt heimtragen, wenn sie lange Zeit verreist waren. Drinnen war etwas, was ich als Schalen von Pekannüssen identifizierte. Dann dämmerte es mir, woraus der Streifen roten Staubs bestand, über den ich draußen gelaufen war, und was ich in der Luft roch: Nuss-Schalen und Nusskuchen.
Ich fragte,
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