Wenn Die Nacht Beginnt
ziemliches Gewicht – zu Gerard zurück, dem es jetzt gelingt, ihr die Handschellen anzulegen … auf dem Rücken, als ob sie ein Straßenschläger aus L.A. wäre.
Halb schiebt, halb trägt er sie durch das Zimmer in Richtung Haustür, belehrt sie über ihre Rechte und ächzt vor Anstrengung. Bohannon geht vor, um Jeans und Schuhe vom Boden aufzuheben. Er greift nach dem Pullover in Mary Beth' Hand. Sie gibt ihm das Beweisstück, aber sie horcht auf die beleidigte Dr. Combs.
»Das ist grotesk«, ruft die große Frau. »Warum sollte ich Cedric Lubowitz umbringen? Warum sollte ich überhaupt irgendjemanden umbringen? Kein Geschworenengericht der Welt wird glauben, dass Dr. Dolores Combs eine Mörderin ist. Wenn Richter Willard hört … ahh! Lassen Sie mich los, Sie tun mir weh.«
Mary Beth fängt an, mit ihren kleinen Fäusten auf Gerard einzuschlagen. »Hören Sie auf«, fordert sie, »hören Sie auf, Dolly wehzutun.« Bohannon zieht sie von dem Lieutenant weg. Sie hängt sich an seine Arme. »Wohin bringen Sie sie?«
»Nur zur Polizeistation hinunter«, knurrt Gerard und schiebt die gewichtige Frau durch die Haustür und auf die Veranda hinaus, »zu einem netten Gespräch.«
»Ich komme mit«, sagt Mary Beth. »Dolly, was soll ich anziehen?«
»Nein, meine Liebe«, widerspricht die gefesselte Frau. »Du bleibst hier und fütterst die Katzen.« Und sie geht mit Gerard schwerfällig, besiegt und ohne weiteren Widerstand die Stufen hinunter zum Weg.
Das kleine, sechzigjährige Mädchen in Pink und Weiß blickt ihr trübe nach. »Wann wirst du heimkommen, Dolly?« Ihre Frage verhallt in der Nachmittagsstille der Wälder, der traurigste Klang, den Bohannon je gehört hat.
Im Sonnenuntergang reibt T. Hodges Twilight ab, während Mousie daneben steht, ihre Zügel lose an einem Pfosten des langen Stallganges festgemacht. Noch bevor Bohannon den Truck ganz angehalten hat, ist Kelly schon draußen und rennt los, um der Polizistin zu helfen. Sie lächelt ihn an, reicht ihm den Schwamm und geht Bohannon entgegen, während sie sich müde eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht.
»Mensch, bin ich froh, dich zu sehen.« Sie umarmt ihn.
»Ist alles in Ordnung?«, fragt er.
»Ich glaube«, sagt sie nachdenklich, nimmt seine Hand und geht mit ihm zum Ranchhaus, »du arbeitest viel zu schwer für deinen Lebensunterhalt.«
»Es tut mir Leid, dass ich dich hier allein gelassen habe.« Sie gehen die Veranda entlang und zur Küchentür hinein. »Ich wusste nicht, dass so schnell so viel passieren würde. Und Gerard wollte mich beim Verhör dabeihaben.«
»Dann war es Dolores Combs?« Sie lässt sich auf einen Stuhl fallen. »Ha, morgen wird mir alles wehtun.«
»Es war Dolores Combs.« Bohannon holt Old Crow Whisky und Gläser und setzt sich ihr gegenüber an den Tisch. »Sie hatte geglaubt, wir würden nie darauf kommen, deshalb hat sie sich nicht die Mühe gemacht, ihre blutverschmierten Klamotten zu verstecken.« Er gießt Whisky in die Gläser und reicht ihr eines. »Sie hat sie einfach in die Mülltonne geworfen.«
»Wie hat sie ihn dazu gebracht, sie den Canyon raufzufahren?«
»Irgendeine Geschichte über Mary Beth, die da oben festsitzt. Er hat ihr geglaubt – obwohl ich nicht weiß, warum – und nahm seine Pistole mit.«
»Seltsam.« Sie zieht die Stirn in Falten. »Dass ein Mann wie er eine Waffe trägt.«
»Einer seiner Börsenmaklerkollegen wurde vor kurzem überfallen und brutal zusammengeschlagen. Das hat die Firma durcheinander gebracht, und besonders Cedric Lubowitz. Wieder eine Lektion für die Gesellschaft: überlasst die Waffen der Polizei. Aber sie wollen ja nicht hören.«
Sie nippt an dem Whisky und greift wieder nach Bohannons Zigaretten auf dem Tisch. »Und der Unbekannte, auf den Steve Belcher im Dunkeln schoss?«
»Das war Combs. Nachdem sie schon halb den Canyon hinuntergefahren war, machte sie sich Sorgen, dass er die Waffe finden und aufheben könnte. Sie wendete das Fahrzeug und fuhr zurück. Na ja, er hat sie auch gefunden, nicht wahr?« Er schüttelt nachdenklich den Kopf. »Sie und Kelly müssen sich um Haaresbreite verfehlt haben, als sie im Dunkeln wegrannten.«
Sie lacht kurz und wird wieder trübsinnig. »Wir wissen, warum sie Steve gehasst hat. Aber warum hasste sie Cedric Lubowitz?«
»Angst.« Bohannon streckt einen Arm aus und schaltet die Lampe ein. »Wie Mrs. Madison, die Mutter des Mädchens, war sie überzeugt, dass dieser jüdische Gauner Rose nur wegen ihres
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