Wenn die Nacht dich kuesst...
Händen Zuckertörtchen oder wozu auch immer sie ihre Eltern als Letztes überredet hatten, es für sie zu kaufen. Ein dunkeläugiger Mann mit einer Violine am Kinn stand neben einem Marmorspringbrunnen und spielte eine süße, wehmütige Melodie.
Während sich Portia fasziniert umsah, wurden ihre Schritte immer langsamer. Caroline konnte ihr kaum einen Vorwurf daraus machen. Sie befand sich selbst in größter Gefahr, dem Zauber der Gärten zu erliegen. Aber sie wurde aus dem Bann wachgerüttelt durch eine Gruppe betrunkener junger Männer, die ein bisschen zu lange und zu unverhohlen auf Portias Busen starrten. Erst vor ein paar Tagen hatte sie Tante Marietta mit ihren Busenfreundinnen darüber flüstern gehört, dass ein unglückseliges junges Mädchen von seiner Mutter getrennt und von einem Paar junger Tunichtgute, die Übles mit ihm vorhatten, in einen der vielen dunkleren Seitenwege gezerrt worden war.
»Beeil dich, Portia«, drängte Caroline und zog ihre Schwester dichter zu sich. »Wir dürfen ihn nicht zu weit vor uns gelangen lassen.« Sie hielt ihren Blick fest auf Kane gerichtet, und seine mächtigen Schultern schienen ihr mit einem Mal mehr tröstend als bedrohlich.
Sie waren erst wenige Schritte weitergegangen, als Portia sie erneut zum Anhalten zwang. »Sieh nur, Caroline! Hier gibt es Eiskrem.«
Caroline drehte sich um. Ihre Schwester schaute sehnsüchtig zu einem italienischen Verkäufer, der einer elegant gekleideten jungen Dame etwa in Portias Alter gerade eine Papiertüte mit Zitroneneis reichte.
»Bitte, Portia! Wir haben im Augenblick weder die Zeit noch das Geld für solchen Unsinn.« Caroline zog ihre Schwester weiter, aber als sie mit den Augen den Weg vor ihnen absuchte, erkannte sie, dass es zu spät war. Kane war verschwunden.
»Oh, nein!«, hauchte sie und ließ Portias Hand los.
Sie ließ ihre Schwester stehen, bahnte sich rasch einen Weg durch die Menschenmenge und zerrte sich die Maske vom Gesicht, um den Viscount besser finden zu können. Aber es war zwecklos. Kane war fort, untergetaucht in den Besuchermassen.
Besucher oder Beute? , überlegte sie unwillkürlich, und plötzlich war ihr kalt.
Die Kälte wurde zu Eiseskälte, als sie hinter sich ein vertrautes Lachen hörte und herumwirbelte. Tante Marietta und Vivienne spazierten über den Weg, kamen geradewegs auf sie zu. Sie waren an Portia vorübergegangen, zu sehr in ihre Unterhaltung vertieft, um die maskierte junge Frau zu bemerken, die wie erstarrt in der Mitte des Weges stand.
Caroline tauschte einen entsetzten Blick mit Portia und begann, verzweifelt mit den Bändern ihrer Maske zu hantieren. In wenigen Sekunden wären die beiden bei ihr.
»Tante Marietta! «, rief Portia und nahm hastig ihre Maske ab.
Die beiden Frauen drehten sich augenblicklich um. Caroline wusste nicht, ob sie in Tränen der Erleichterung oder der Angst ausbrechen sollte.
»Portia? Bist du das?«, fragte Vivienne verwundert.
Portias Miene trübte sich. »Oh, Vivienne, Tante Marietta, ich hatte solche Angst. Ich bin so froh, dass ihr gekommen seid!« Sie warf sich gegen ihre Tante und schlang ihre Arme um deren üppige Taille, barg ihr Gesicht an dem rüschenverzierten Busen.
Hinter dem Rücken ihrer Tante winkte sie Caroline heftig zu. Ihre Schwester zögerte nicht und versteckte sich rasch hinter der anmutigen Säule eines Lusttempelchens am Rand des Weges.
»Was, um Himmels willen, hast du hier zu suchen, Kind?«, erkundigte sich Tante Marietta mit dröhnender Stimme und befreite ihre Rüschen mit leicht angewiderter Miene aus Portias Griff. »Du solltest doch zu Hause im Bett liegen.«
Portia richtete sich auf, aber nicht ohne sich mit einer der Rüschen ihrer Tante die Nase abzuwischen. »Ich fürchte, ich bin sehr unartig gewesen«, gestand sie unter Mitleid erregendem Schniefen. »Ich habe mich ganz schrecklich über euch geärgert, dass ihr mich allein zu Hause gelassen habt, wo ich doch wusste, in wenigen Tagen würde ich wieder aufs Land zurückfahren müssen. Ich wollte immer schon Vauxhall sehen, darum habe ich gewartet, bis Caroline eingeschlafen war, habe mir ein paar Münzen aus ihrer Tasche genommen und bin aus dem Haus geschlichen. Aber sobald ich hier war, wurde mir klar, dass ich einen entsetzlichen Fehler gemacht habe. Ich hatte solche Angst, und jetzt will ich nur noch nach Hause! « Portias Stimme brach und ging in Schluchzen über.
Caroline verdrehte die Augen, zum ersten Mal dankbar, dass ihre kleine Schwester
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