Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
eine so überzeugende Lügnerin war. Man musste schon ein Herz aus Stein haben, um von ihren tränenfeuchten Augen und zitternden Lippen ungerührt zu bleiben.
    »Himmel, du dummes Mädchen! Ich sollte dich gleich als Erstes morgen früh zurück nach Edgeleaf schicken.« Als Tante Marietta eine fleischige Hand hob, als wollte sie Portia ohrfeigen, spannte sich Caroline, bereit, aus ihrem Versteck zu springen.
    »Was tut ihr beide eigentlich hier?«, fragte Portia, und ihr Tonfall war gerade vorwurfsvoll genug, um Tante Marietta so zu überraschen, dass sie ihre Hand sinken ließ. »Warum seid ihr nicht auf eurer Kartengesellschaft?«
    »Lady Marylbone ist plötzlich erkrankt, sodass uns eine vierte Spielerin fehlte«, erklärte Tante Marietta.
    »Es war eine so wunderschöne Nacht, dass Tante einen Spaziergang durch die Gärten vorgeschlagen hat, ehe wir nach Hause fahren.« In Viviennes Stimme schwang schlecht verborgene Belustigung mit. »Ich kann dir versichern, es hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass wir Lord Trevelyans Wappen auf einer der wartenden Kutschen draußen gesehen haben.«
    Tante Marietta seufzte. »Jetzt lässt sich nichts mehr ändern, nicht wahr? Du kannst genauso gut mitkommen. Ich weigere mich, mir von einem ungehorsamen jungen Ding einen so schönen Abend verderben zu lassen. Vermutlich ist es nicht deine Schuld, dass meine dumme Schwester dir keine Manieren beigebracht hat. Es war immer mein Glück, dass ich das gute Aussehen und den Verstand in der Familie geerbt habe.«
    Ihre Mops-Nase in die Luft streckend, hakte sich Tante Marietta bei Vivienne unter und setzte sich wieder in Bewegung. Portia blieb keine andere Wahl, als ihr zu folgen. Sie ließ sich etwas zurückfallen und blinzelte Caroline verschwörerisch zu, ihr ihren Segen gebend, die Mission des heutigen Abends ohne sie zu Ende zu führen.
    Langsam richtete sich Caroline auf, das Herz vor Dankbarkeit übervoll. Der Auftritt ihrer kleinen Schwester hatte ihr dringend benötigte Zeit und Gelegenheit verschafft.
    Nachdem sie ihre Maske wieder aufgesetzt hatte, zog sie die Bänder fest und eilte den Weg weiter, auf dem Kane verschwunden war, entschlossen, ihn zu finden, ehe es den anderen gelang.
    Caroline war vorher nicht bewusst gewesen, dass man sich einsam fühlen konnte unter so vielen Menschen. Während sie über die überfüllten Wege der Gärten spazierte, betrachtete sie forschend die Gesichter und Figuren aller Gentlemen, die ihr entgegenkamen — doch vergeblich. Zweimal hätte sie schwören können, sie hätte den vertrauten Schulterkragen vor sich entdeckt, aber wenn sie sich einen Weg durch das Gedränge gebahnt hatte, fand sie sich wieder nur umgeben von Fremden.
    Während die Nacht voranschritt, nahmen die Massen ab. Eine Gruppe kichernder junger Frauen und ihrer Bewunderer lief vorüber, sie waren ebenfalls alle maskiert. In den gesprenkelten Schatten unter den Bäumen sahen ihre tief liegenden Augen und grinsenden Lippen unheimlich aus. Einer von ihnen hielt ihr einen Zweig mit Glöckchen vors Gesicht und lachte irr.
    Sie zuckte zurück und biss die Zähne zusammen. Sie begann, sich gerade zu wünschen, dass sie diejenige gewesen wäre, die Tante Marietta in die Arme gelaufen war und unter Tränen um Verzeihung gebeten hätte, als sie einen einsamen Mann zwischen den Bäumen erspähte, der einen Weg parallel zu ihrem entlangging.
    Ihr Puls beschleunigte sich. Caroline duckte sich hinter einen Zederzweig und schlich zwischen den Bäumen hindurch. Auf der anderen Seite fand sie sich auf einem verlassenen Stück Weg wieder. Von dem Mann, den sie zuvor erblickt hatte, war nichts zu sehen.
    Der Weg hier war schmaler, die Lampen hingen in größerem Abstand, die Bäume standen dichter beieinander. Ihre Äste formten einen düsteren Baldachin über ihrem Kopf und verwehrten dem letzten fahlen Mondlicht den Weg zum Boden. Mit sinkendem Mut erkannte Caroline, dass sie auf dem berüchtigten Lover's Walk gelandet sein musste, dem legendärsten Verabredungspunkt für Liebespaare in ganz London.
    Der Ruf dieses Weges war sogar bis nach Edgeleaf gedrungen. Man flüsterte, dass hier, auf diesen gewundenen Pfaden und schattigen Lichtungen, jene Damen Liebe fanden, die um des Geldes willen geheiratet hatten. Hierher kamen Gentlemen, die aus den kühlen Betten ihrer Ehefrauen verbannt worden waren, um wärmere und willigere Arme zu suchen. Hierher kamen Wüstlinge wie angesehene Mitglieder des Oberhauses, um ihren Appetit auf derart

Weitere Kostenlose Bücher