Wenn die Nacht dich kuesst...
Boden und stöhnten. Blut strömte aus der sommersprossigen Nase des jungen Mannes mit den blonden Haaren. Der andere spuckte einen ausgeschlagenen Zahn aus, und seine aufgeplatzte Lippe war schon zu ihrer doppelten Größe angeschwollen.
Kane stand über ihnen in der Mitte des Weges und schlug sich mit seinem Spazierstock leicht in die offene Hand. Auf seiner Stirn war kein einziger Schweißtropfen zu sehen.
Er machte einen unmerklichen Schritt in ihre Richtung. Die beiden Herren rutschten sogleich auf Hintern und Ellbogen rückwärts, wie an Land gespülte Krabben. »Das nächste Mal, wenn euch beiden jungen Hunden der Sinn nach Jagd steht, dann schlage ich vor, besorgt ihr euch eine Hundemeute und tretet einem Fuchsjagdclub bei. Anderenfalls findet ihr am Ende eure eigenen Felle als Trophäe an der Wand in meinem Arbeitszimmer wieder.«
Ihm immer noch bohrende Blick zuwerfend, rappelten sie sich auf und stolperten zwischen den Bäumen davon, leise vor sich hinfluchend.
Kane drehte sich zu Caroline um. Obwohl er mit keiner Wimper zuckte, war seine Absicht klar.
Mit den Jungen war er fertig. Nun kam sie an die Reihe. Sie zog ihre Maske gerade und wagte gegen alle Wahrscheinlichkeit zu hoffen, dass er sie nicht erkannt hatte. »Vielen Dank, Sir. Ihre Ritterlichkeit war meine Rettung.«
»Ach ja?«
Wegen des unergründlichen Ausdrucks in seinen Augen beunruhigt, begann sie, langsam rückwärts zu gehen. »Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Sie nicht genau im richtigen Augenblick des Wegs gekommen wären.«
»Richtig für uns beide, scheint es«, antwortete er und folgte ihr Schritt um Schritt.
Bildete sie es sich nur ein, oder ruhte sein Blick auf ihrem blassen Hals? Auf dem Puls, der unter ihrer zarten Haut unruhig schlug? Unwillkürlich legte sie eine Hand auf die Stelle, aber es schien eine wenig überzeugende Abwehr.
Ich hatte schon immer eine Vorliebe für frisches Fleisch.
Seine Worte gingen ihr wieder durch den Sinn, klangen immer unheilvoller. Was, wenn er von einem völlig anders gearteten Hunger gesprochen hatte?
Während sie sich darum bemühte, die alberne Vorstellung abzuschütteln, machte sie einen Schritt nach hinten und landete direkt in einem Fleck Mondschein. Der diesige Schimmer hielt ihn nicht auf. Er ging immer weiter, jeder Schritt genau im Takt der Schläge einer Kirchturmuhr in der Ferne, die das Nahen der Mitternacht verkündete.
»Ich sollte jetzt wieder zu meiner Gesellschaft zurückgehen«, erklärte sie. Sie wurde mit jedem Schritt atemloser. »Wir wurden getrennt, und sie sind vermutlich inzwischen außer sich vor Sorge.«
»Zu Recht, meine teure ...«
Sie wirbelte herum, um zu fliehen, rechnete halb damit, dass sich sein kräftiger Arm erneut um sie legen würde, eine seiner großen warmen Hände ihr Kinn umfangen, ihren Kopf sachte nach hinten drücken und ihre verletzliche Halsbeuge entblößen würde, sodass er sich darüber beugen und seine ...
»... Miss Cabot«, schloss er.
Caroline erstarrte, dann drehte sie sich um und schaute ihn an, ungerechtfertigterweise wütend, dass er ihre alberne kleine Maskerade durchschaut hatte. »Woran haben Sie mich erkannt?«
Er lehnte seinen Gehstock gegen einen nahen Baum und überwand die kurze Entfernung, die sie trennte, mit wenigen Schritten. »An Ihrem Haar. Ich denke nicht, dass irgendeine andere Frau in London Haar in genau diesem Farbton hat.« Er streckte eine Hand aus und zupfte eine Strähne aus ihrem festgesteckten Chignon, ließ das feine Haar so behutsam durch seine Finger gleiten, als sei es aus der seltensten Seide. »Es ist wie flüssiges Mondlicht.«
Von der unerwarteten Liebkosung überrascht, hob Caroline langsam den Blick. Trotz der Zärtlichkeit seiner Berührung funkelten seine Augen zornig.
Seine Berührung und seine Worte sandten ein verräterisches Prickeln durch ihren Körper. Bestürzt entzog sie ihm die verirrte Strähne, dann schlug sie ihre Kapuze hoch, um ihr Haar zu bedecken.
Er akzeptierte die unausgesprochene Zurechtweisung und verschränkte die Arme vor der Brust. »Vielleicht würden Sie mir gerne erklären, warum Sie mir gefolgt sind, und wie es Ihnen gelungen ist, Ihre kleine Schwester zu verlieren und in so eine Klemme zu geraten? Ich dachte, Sie seien die vernünftige Schwester in Ihrer Familie.«
»Aber das bin ich doch! Oder ich war es wenigstens. Bis ich ...« Sie brach ab, biss sich auf die Unterlippe. »Seit wann wussten Sie, dass ich Ihnen folge?«
»Seit dem
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