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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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einfacher, wenn es Vivienne wäre, die seine Träume beherrschte. Vivienne, die an dem Fenster dort oben stünde und wehmütig in die Nacht blickte, als suchte sie nach etwas. Oder nach jemandem.
    Nach ihm.
    Eine Hand vor die Flamme haltend, wandte sich Caroline vom Fenster ab, nahm das Licht mit sich.
    Adrian hatte sich immer etwas auf seine Selbstbeherrschung eingebildet, aber es gab einen Hunger, der einfach zu heftig war, um unbeachtet zu bleiben. Er schlang die Zügel des Pferdes um seine Faust und schritt zur Burg, verließ die schützenden Arme der Nacht.
    Caroline öffnete die Augen, glitt vom Schlafen zum Wachsein innerhalb eines Atemzuges. Ein paar benommene Augenblicke glaubte sie, sie sei wieder in Tante Mariettas Dachkammer, zusammen mit Portia, die in dem anderen Bett schnarchte. Aber es war nicht so sehr ein Laut, der sie geweckt hatte, sondern vielmehr das völlige und absolute Fehlen von Geräuschen. Der Regen hatte aufgehört, und dadurch schien die Stille noch ohrenbetäubender.
    Sie setzte sich auf. In dem riesigen Himmelbett kam sie sich winzig vor. Das Zimmer war so behaglich warm gewesen, als sie zu Bett gegangen war, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Bettvorhänge zuzuziehen. Aber jetzt verglühte das Feuer im Kamin allmählich, und die Luft war kühl.
    Sie griff nach den Vorhängen, aber dann erstarrte ihre Hand mitten in der Bewegung. Eine der französischen Türen auf der anderen Seite des Turmes stand offen und ließ einen schmalen Streifen Mondlicht und zarte Nebelschwaden ins Zimmer.
    Sie zog ihre Hand zurück, und ihre Finger begannen zu zittern. Nervös blickte sie sich suchend im Zimmer um. Alle Kerzen waren verloschen, hatten das Turmzimmer in Dunkelheit getaucht.
    Der schwache Nachhall eines Geräusches lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück zum Balkon. War es nur der Wind?, fragte sie sich. Oder ein heimlicher Schritt? Aber wie konnten es Schritte sein, wenn sie sich mindestens vier Stockwerke über der Erde befand?
    Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen, überrascht, dass sie außer dem lauten Pochen ihres Herzens überhaupt etwas hören konnte. Sie wollte nichts lieber tun, als sich ihre Decken über den Kopf ziehen und sich darunter verstecken, bis der Morgen anbrach.
    Aber sie hatte den Luxus, den Kopf unter die Decke stecken zu dürfen, in der Nacht verloren, als ihre Eltern gestorben waren. Portia und Vivienne mochten sich unter ihre Decken verkriechen, wenn Schwierigkeiten drohten, aber sie war diejenige, die in stürmischen Nächten ihr warmes Bett verlassen musste, um lose Fensterläden zu verriegeln oder einen Holzscheit in den Kamin nachzulegen.
    All ihren Mut zusammennehmend, schlug sie die Decken zurück, schwang ihre Beine aus dem Bett und ging langsam über die Steinfliesen zu dem Mondlichtstreifen. Sie war auf halbem Weg zur Tür, als ein Schatten über den Balkon flackerte. Sie wich zurück, ein entsetztes Aufstöhnen in der Kehle.
    »Hör auf, so eine dumme Gans zu sein«, schalt sie sich selbst mit klappernden Zähnen. »Es war vermutlich nur eine Wolke, die sich vor den Mond geschoben hat.« Sie machte einen weiteren zögernden Schritt zur Tür. »Du hast einfach nur vergessen, die Tür zu verriegeln, und der Wind hat sie aufgestoßen.«
    Sie bemühte sich, sich nicht auszumalen, dass einer der Wasserspeier vom Wehrgang seine steinernen Flügel ausbreiten und sich auf ihre Kehle stürzen würde, holte tief Luft und überquerte die restliche Strecke mit drei entschlossenen Schritten. Sie riss beide Türen weit auf und, marschierte geradewegs auf den Balkon und forderte ein unsichtbares Ungeheuer auf, sie aus der Dunkelheit anzuspringen.
    Der Balkon lag verlassen da.
    Dunst stieg von den nassen Steinen auf, und im Mondlicht schimmerten die Schwaden silbern. Caroline ging zu der Brustwehr, die den Balkon umschloss und stützte sich mit zitternden Händen auf den rauen Steinen ab. Hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Ärger über ihre albernen Ängste, spähte sie über das Geländer und versuchte abzuschätzen, wie weit es bis zum Boden war. Wer auch immer sie hier belästigen wollte, müsste gewiss Flügel zum Fliegen besitzen.
    »Guten Abend, Miss Cabot.«
    Als die spöttische Stimme aus den Schatten hinter ihr erklang, von einer Schwefelwolke begleitet, wirbelte Caroline herum und stieß einen erschreckten Schrei aus.

10
    Caroline stolperte rückwärts. Als der raue Stein der Brustwehr sich in ihren Rücken drückte, kippte die Welt um sie

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