Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
Stimme an ihr Ohr drang, blieb Caroline im Schatten unter einer Linde stehen, die Hand auf die glatte Rinde gelegt.
    Ihre Schwester ruhte sich auf einer Liege am Fuß des Hügels aus, eine warme Wolldecke um ihre schlanken Beine gewickelt. Konstabler Larkin war schon aufgestanden und ging eilig zum Haus. Von dem aufgeschlagenen Buch her zu urteilen, das er auf der Bank hatte liegen lassen, hatte er ihrer Schwester zuvor vorgelesen. Caroline musste trotz allem lächeln, als sie überlegte, ob das Buch wohl Tyburn Gallows — eine illustrierte Geschichte hieß oder gar Der Halifax-Galgen: Der Tanz der Todgeweihten.
    Seit ihrer Erkrankung war Vivienne nicht länger zufrieden, stumm zu leiden. Sie schien es sogar insgeheim zu genießen, den Konstabler zu schikanieren und herumzukommandieren, wenn der Viscount nicht da war. Sie bat ihn »bringen Sie mir doch meinen Schal« oder »seien Sie so gut und läuten Sie nach einem neuen heißen, in Tücher gewickelten Ziegelstein, Sir?«, wann immer es so aussah, als ließe er in seiner Wachsamkeit nach.
    »Da bist du ja, Caroline!«, rief ihr Vivienne zu, als sie sie entdeckte. »Willst du nicht herkommen und mir Gesellschaft leisten, während mir Konstabler Larkin neuen Tee besorgt?« Sie winkte sie mit der würdevollen Anmut einer jungen Königin zu sich, sodass Caroline nichts anderes übrig blieb, als zu gehorchen.
    »Du hast dich offensichtlich so gut erholt, dass es an ein Wunder grenzt«, bemerkte Caroline und setzte sich auf Larkins Platz.
    Vivienne kuschelte sich tiefer in die weichen Kissen und hielt sich den Mund zu, um ein ziemlich unglaubwürdiges Husten zu dämpfen. »Es geht einigermaßen, solange ich keine Zugluft abbekomme.«
    Gerade jetzt, wo die Nachmittagssonne die goldenen Lichter in ihrem Haar aufleuchten und die sanfte Brise die Rosen auf ihren Wangen erblühen ließ, schien sie vor Gesundheit geradezu zu strahlen. Wäre es Portia, Caroline hätte ihr sicher unterstellt, dass sie sich krank stellte.
    »Lord Trevelyans Ball ist morgen Abend«, erinnerte Caroline sie. »Bist du dir sicher, dass es dir gut genug geht, um daran teilzunehmen?«
    Vivienne senkte ihre Lider, um den Ausdruck in ihren Augen zu verbergen, und begann, mit ihrer Halskette zu spielen. Die Kamee steckte sicher verborgen in ihrem Ausschnitt. »Da bin ich mir ganz sicher. Schließlich könnte ich es nicht ertragen, den Viscount zu enttäuschen, nachdem er uns gegenüber so freundlich war.«
    Wie auf ein Stichwort kam Portia über den Weg vom Haus gelaufen. Sie wankte unter dem Gewicht einer Schachtel, die beinahe so groß war wie sie selbst. Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Du wirst nicht glauben, was eines der Mädchen gerade in unseren Salon gebracht hat, Vivienne! Ich konnte es nicht aushalten zu warten, bis du wiederkommst. Ich wusste, du würdest es gleich sehen wollen! «
    Weil auch ihre Neugier geweckt war, erhob sich Caroline, sodass Portia ihre Last auf der Bank abstellen konnte.
    »Es ist einfach das Hübscheste, was ich je gesehen habe!«, verkündete Portia und nahm mit einer schwungvollen Bewegung den Deckel ab.
    Caroline und Vivienne seufzten unwillkürlich auf, als meterweise Tüll in dem zartesten Rosa hervorquoll. Der durchsichtige Stoff war über ein Unterkleid aus schimmernder weißer Seide drapiert.
    Portia hielt sich das tief ausgeschnittene Seidenkleid unters Kinn, wobei sie darauf achtete, nicht die dunkler abgesetzte Rüsche am Saum durch das Gras zu schleifen. »Ist es nicht wunderschön?«
    »Exquisit«, pflichtete ihr Caroline leise bei. Es gelang ihr nicht, der Versuchung zu widerstehen, mit den Fingerspitzen über die Reihe schimmernder Perlen zu fahren, die die rosa Seidenschärpe des Kleides zierten.
    »Es ist wie etwas, was eine Prinzessin tragen würde«, hauchte Vivienne mit einem entzückten Lächeln.
    Portia hielt das Kleid weiterhin fest, als widerstrebe es ihr, es loszulassen, und griff in die Schachtel, um eine Karte aus edlem Büttenpapier herauszuholen, die sie Vivienne reichte. »Ich habe zwar vielleicht das Päckchen geöffnet, aber ich war nicht so anmaßend, auch die Karte zu lesen.«
    »Es ist gut zu wissen, dass du deine Skrupel nicht gänzlich verloren hast«, sagte Caroline trocken. Portia streckte ihr die Zunge heraus.
    Vivienne studierte die Karte. »Es ist ein Geschenk des Viscounts«, sagte sie, und ihr Lächeln verblasste. »Er möchte, dass ich es morgen Abend zum Ball trage.«
    Caroline riss ihre Hand zurück, als habe das

Weitere Kostenlose Bücher