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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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neugierig.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und entdeckte, dass es ihm schwer fiel, ihr in die Augen zu sehen. »Gelegentlich, nehme ich an.«
    »Warum?«
    Er zuckte die Achseln. »Warum trinkt ein Mann? Um den Durst auf etwas anderes zu löschen, das er sich verzweifelt wünscht, aber niemals haben kann.«
    Portia rückte beinahe unmerklich näher zu ihm, schaute ihm furchtlos in die Augen. »Ich habe immer geglaubt, wenn man etwas stark genug will, dann sollte man willens sein, Himmel und Erde in Bewegung zu versetzen, um es zu bekommen.«
    Julian schaute ihr ins Gesicht, auf ihre hellbraunen Brauen, die vollen Lippen, dachte, was für eine Ironie des Schicksals es war, dass ein so engelsgleiches Gesicht ihm solch höllische Qualen zufügte. Mit einer Beherrschung, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie besaß, streckte er die Hand aus und kniff sie brüderlich in die Nase. »Sie sollten dankbar sein, Kleines, dass ich nicht derselben Philosophie folge.«
    Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging weiter zu den Ställen und ließ sie allein mit ihrem traurig hängenden Schirmchen im Regen stehen.
    Caroline saß auf einem Stuhl, den sie sich zum Bett gezogen hatte, und beugte sich vor, um ihrer Schwester sanft die goldenen Locken aus der Stirn zu streichen. Viviennes Zustand hatte sich während des langen Tages und der folgenden Nacht weder gebessert noch verschlechtert. Sie sah einfach so aus, als könne sie diesen unnatürlichen Schlummer ewig schlafen.
    Der Lakai war zur Burg zurückgekehrt, gerade als die Nacht anbrach und der Regen nachließ, und vermeldete, der Arzt wohne einer schwierigen Entbindung bei und würde vermutlich nicht vor dem Morgen eintreffen. Portia ruhte in ihrem Bett nebenan, während Konstabler Larkin im Salon, der die beiden Schlafzimmer miteinander verband, Wache hielt, worauf er bestanden hatte. Das letzte Mal, als Caroline nach ihm gesehen hatte, war er über einer Tasse kalten Tees eingenickt, die Füße hochgelegt und ein abgegriffenes Exemplar von   Tyburn Gallows — eine illustrierte Geschichte aufgeschlagen auf dem Schoß.
    Vivienne seufzte im Schlaf, und Caroline fragte sich, ob sie träumte. Träumte sie von Kanes blaugrünen Augen, die im Sonnenlicht funkelten, und von Hochzeitsglocken? Oder träumte sie von Dunkelheit und Unterwerfung und Glocken, die auf ewig Mitternacht verkündeten? Genau, wie sie es schon ein dutzend Mal zuvor getan hatte, zog Caroline den Kragen des Nachthemdes ihrer Schwester nach unten, um ihren makellosen, sahnig weißen Hals zu betrachten.
    »Ich nehme an, Sie haben nicht gefunden, wonach Sie suchen.«
    Bei den düster geäußerten Worten blickte Caroline über ihre Schulter und entdeckte Kanes dunkle Gestalt, die sich scharf vor der mondhellen Nacht abzeichnete. Warum überraschte es sie überhaupt, dass er nicht an der Tür stand, sondern am offenen Fenster?
    »Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden«, log Caroline und schloss den Kragen rasch wieder mit einer Schleife. Sie hatte jeden Zoll der blassen Haut ihrer Schwester abgesucht, aber keine Bissstelle oder Ähnliches finden können, keinen Hinweis auf ein Verbrechen.
    Er kam näher. Caroline erhob sich, stellte sich wie schon vorhin zwischen ihn und das Bett.
    Diesmal blieb er nicht stehen, bis er nahe genug war, sie zu berühren. »Warum wollen Sie mich nicht näher kommen lassen, Miss Cabot? Haben Sie Angst um Ihre Schwester? Oder um sich selbst?«
    »Habe ich denn einen Grund dafür, Mylord?«
    Sein suchender Blick liebkoste ihr Gesicht. »Wenn Sie mich für einen so verabscheuungswürdigen Schurken halten, warum haben Sie dann nicht nach Konstabler Larkin gerufen? Ich bin sicher, ihm wäre nichts lieber, als hereinzustürmen und Sie aus meinen Klauen zu retten.« Beinahe widerwillig, als könnte er dem Drang nicht widerstehen, hob er seine Hand und strich ihr mit den Fingerknöcheln ganz zart über die Wangen.
    Zuerst dachte Caroline, der gequälte Laut stammte von ihren Lippen. Dann aber erkannte sie, dass es Vivienne war. Sie ließ Kane stehen und eilte an die Seite ihrer Schwester.
    Vivienne murmelte unruhig im Schlaf, schlug mit Armen und Beinen unter der Decke um sich, ihre Wangen nicht länger blass, sondern fleckig und gerötet. Caroline legte ihr die Hand auf die Stirn und warf Kane einen hilflosen Blick zu. »Sie glüht vor Fieber! «
    »Wir müssen sie abkühlen.« Kane schob Caroline zur Seite und zog ohne weiteres Aufheben die schweren Decken von Vivienne, dann

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