Wenn die Nacht dich kuesst...
war es, als wäre für sie beide die Zeit stehen geblieben. Für Caroline gab es keine Vergangenheit und keine Zukunft. Keine Vivienne und kein Bedauern. Es gab nur diesen Moment, diesen Mann, diesen Kuss.
Eine atemlose Ewigkeit später riss er seinen Mund von ihrem los und schaute ihr tief in die Augen. Er schüttelte den Kopf und sah noch hilfloser aus, als sie sich fühlte. »Was soll ich nur mit dir tun, meine liebe Miss Cabot?«
»Was du willst, Mylord«, murmelte sie träumerisch und spürte die Berührung seiner Lippen auf ihrem Haar, während sie sich an seine Brust schmiegte.
»Adrian«, flüsterte er und schlang seine Arme um sie.
»Adrian«, seufzte sie.
Sie war so benommen vor Entzücken, dass sie einen Moment brauchte, um zu begreifen, dass das rhythmische Pochen unter ihrer Wange sein Herzschlag war. Sie schaute ihn erschreckt an, zog sein Hemd auf und drückte ihre Hand auf die leicht behaarte, warme Haut darunter. Unter ihrer keuschen Berührung verdoppelte sich das Tempo beinahe. Wie der Rest von ihm war sein Herz warm, von Leben durchströmt und nur zu sterblich.
»Ich wusste die ganze Zeit, dass du nicht so herzlos bist, wie du mich glauben machen wolltest«, murmelte sie mit einem wissenden Blick.
»Ich vermute, mein Geheimnis ist entdeckt. Ich bin kein Vampir.«
»Natürlich bist du das nicht.« Sie lachte zu ihm empor, beinahe schwindelig vor Erleichterung. »Weil es so etwas gar nicht gibt! Ich kann nicht fassen, dass ich mich so leicht von Portias albernen Phantastereien habe anstecken lassen. Du musst mich für einen vollkommenen und absoluten Schwachkopf halten. Ich hätte niemals ...«
Adrian fasste sie fester, unterbrach sie. Er blickte auf sie herab, seine Augen merkwürdig ernst. »Ich bin kein Vampir, mein Liebes. Ich bin ein Vampirjäger.«
16
Caroline starrte Adrian verwundert an. Sie erinnerte ihn an eine kleine, verdutzte Eule.
»Du bist kein Vampir«, wiederholte sie langsam.
»Stimmt.«
»Du bist ein Vampirjäger.«
Adrian nickte.
»Jemand, der Vampire jagt.«
Er nickte erneut.
»Und sie tötet.«
»Nicht ganz. Weil sie ja lebende Tote sind«, erklärte er sanft. »Ich zerstöre sie und sende die seelenlosen Hüllen ihrer Körper zur Hölle, damit sie keinen weiteren Schaden anrichten können.«
Selbst als sie sich vorsichtig aus seinen Armen löste und rückwärts zu dem Steg zu gehen begann, nickte Caroline, als ob das, was er sagte, Sinn ergäbe. »Also darum schläfst du tagsüber. Damit du nachts Vampire jagen kannst.«
»Ich fürchte, sie mögen die Sonne nicht sonderlich.«
Er konnte fast sehen, wie die Zahnrädchen ihres Verstandes arbeiteten. »Ich nehme nicht an, du teilst eine ihrer anderen Eigenschaften. Wie, sagen wir ... zum Beispiel Unsterblichkeit?«
Er hob eine Augenbraue. »Geht es wieder um die Gemäldegalerie?«
Sie nickte.
Er verschränkte die Arme vor der Brust; es fiel ihm schwer, sich zu erinnern, wann er sich das letzte Mal so leer gefühlt hatte. »Mit der ausgeprägten Familienähnlichkeit habe ich nicht gelogen. Mein Ururgroßonkel hat einmal die Zofe seiner Frau geschwängert. Es gelang ihm abzustreiten, dass das Kind seines war, bis zu dem Tag, als es auf die Welt kam und das verräterische Mal über dem linken Auge hatte.«
»Was geschah dann?«, fragte sie und wurde langsamer, blieb aber nicht stehen.
»Meine Ururgroßtante hat auf ihn geschossen. Glücklicherweise für mich und die anderen Nachfahren zielte sie schlecht und hat ihn nur am Schienbein getroffen. Er hat dann noch fünfzehn weitere Kinder gezeugt, sieben davon mit meiner Tante. Sie sah sich noch zwei Mal genötigt, auf ihn zu schießen, ehe er schließlich in seinem Bett im reifen Alter von zweiundneunzig Jahren starb.«
Caroline legte ihren Kopf schief. »Was ist mit den Spiegeln? Wenn du ein Vampirjäger bist und kein Vampir, warum hast du dann alle Spiegel aus der Burg verbannt? Du müsstest doch dein Spiegelbild sehen können.«
Adrian blies die Backen auf und fuhr sich mit einer Hand übers Kinn. Das war die Frage, vor der er sich am meisten gefürchtet hatte.
»Wenn Sie es unbedingt wissen müssen, er hat die Spiegel meinetwegen entfernen lassen«, erklärte Julian gedehnt und trat hinter ihr aus den Schatten.
Während Adrian einen unterdrückten Fluch ausstieß, schlug sich Caroline die Hand aufs Herz und wirbelte zu seinem Bruder herum. »Weil Sie eine Abneigung dagegen haben, Ihr Spiegelbild zu sehen?«
»Nein«, erwiderte Julian und machte
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