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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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Sie grinste. »Ich denke, ich gehe eine Currywurst essen. Am Ostbahnhof habe ich Fressbuden gesehen. Kommst du mit?«
    Jari runzelte die Stirn und musterte sie skeptisch– und sagte dann genau das, womit sie gerechnet hatte. »Ich habe kein Geld.«
    »Ach.« Nele winkte ab. »Meine Mutter hat mir gestern zwanzig Euro Essensgeld gegeben. Das macht sie immer, wenn sie ein schlechtes Gewissen bekommt, weil sie nie kocht.«
    Zugegeben, sie fühlte sich ein bisschen schlecht dabei, sich Jaris Gesellschaft mit Essen zu erkaufen. Aber so wie sie ihn einschätzte, war er pfiffig genug, eine solche Einladung nicht auszuschlagen und sie darüber hinaus nicht falsch zu verstehen. Nele sah, wie er nachdachte– bevor ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht erschien.
    »Dann hoffe ich, dass diese Wurst mindestens zwei Euro kostet. Schließlich will ich meine Seele nicht unter Wert an dich verscherbeln.«
    Nele lachte erleichtert. »Kein Problem. Notfalls kriegst du eine Cola dazu. Deal?«
    Jari nickte und sah nun zu Neles großer Freude wirklich fast entspannt aus. »Klingt ziemlich gut.«
    Nebeneinander schlenderten die beiden die graue Straße entlang und durch den kleinen Park, der zwischen der Schule und dem Ostbahnhof lag.
    Am Bahnhof gab es eine ganze Reihe von Ständen, an denen man von pseudoasiatischen Frühlingsrollen und gebackener Ente über Döner und Lahmacun bis hin zu Pommes und Currywurst wirklich alles bekommen konnte. Nele und Jari suchten sich die Bude aus, die am wenigsten schmierig aussah, und Nele bezahlte sensationelle acht Euro und neunzig Cent für zwei Schalen Currywurst, eine Portion unglaublich fettige Pommes und zwei Becher Cola, ehe sie in den Park zurückkehrten und sich dort beinebaumelnd auf ein Klettergerüst setzten.
    »Was hat eigentlich der Köster gegen dich?«, fragte Nele schließlich, nachdem sie eine Weile einträchtig nebeneinander gesessen und gegessen hatten.
    Jari sah überrascht auf. Zuerst befürchtete Nele, er würde ähnlich verschlossen reagieren wie bei ihrem Vorschlag, sie nach Hause zu begleiten– wofür sie sich inzwischen im Übrigen reichlich dumm vorkam. Aber er zuckte nur die Schultern und schob sich eine lauwarme Pommes in den Mund.
    »Was hat der Rest der Welt gegen mich?«, fragte er trocken zurück und schüttelte mit selbstironischem Grinsen den Kopf, bevor Nele darauf eine passende Erwiderung einfallen konnte. »Nein, im Ernst. Ich glaube, er mag mich und kann es nur nicht zeigen. Vielleicht will er mich sogar unterstützen, wer weiß. Ich glaube, er hat wirklich keine Ahnung, wie blöd er mich damit aussehen lässt.«
    Nele dachte eine Weile darüber nach. Das klang logisch, wenn auch nicht gerade ermutigend. »Ich finde es jedenfalls ziemlich beeindruckend, wie du das hinkriegst mit den ganzen Formeln. Und ich wette, das geht nicht nur mir so.«
    Jari seufzte leise und starrte auf einen Punkt irgendwo weit entfernt im leichten Nebel. »Ich lerne ziemlich viel«, sagte er. »Ich habe ja sonst nichts zu tun.« Seine Hand verkrampfte sich um die Stange des Klettergerüstes, und für einen Moment zögerte er. Als wollte er noch etwas sagen, wüsste aber nicht, ob er es wirklich aussprechen sollte.
    »Außerdem will ich einen guten Abschluss machen«, fuhr er schließlich doch fort. »Damit ich nach der Schule weg kann von hier. Irgendwohin, an eine gute Uni. Nach Leipzig vielleicht, oder nach Weimar oder Dresden. Irgendwo in den Osten. Da ist das Wohnen nicht so teuer, hab ich gehört.«
    Nele saugte nachdenklich am Strohhalm ihrer schon fast leeren Cola, um nicht sofort etwas erwidern zu müssen. Jaris Gesicht war so ernst und nachdenklich. Da war eine Sehnsucht in seiner Stimme, die Nele an einem Punkt tief in ihrem Inneren berührte; eine Traurigkeit, die sie nicht kannte und vermutlich auch niemals kennenlernen würde. In diesem Moment hätte sie Jari gern ermutigt, oder zumindest etwas Aufmunterndes gesagt. Aber alles, was ihr einfiel, klang so nach dünnem Klischee, dass sie sich schon beim Denken dafür schämte.
    »Ich habe keine Ahnung, was ich mal machen will«, sagte sie schließlich. »Blöd, oder?«
    Jari schüttelte den Kopf, und jetzt sah er Nele wieder an. »Nein, gar nicht. Ich glaube, das ist ganz normal. Ich weiß es eigentlich auch nicht. Ich will nur weg, das ist alles.«
    Nun wusste Nele wirklich nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie hatte in diesem Moment das Gefühl, dass noch nie in ihrem Leben jemand so ernsthaft mit ihr gesprochen hatte,

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