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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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abstreiten, dass ihr das gefiel.
    »Und ihr braucht noch Mitglieder?«
    Charlotte nickte eifrig. »Ja, ganz genau. Sonst könnte es nämlich sein, dass die AG im nächsten Schuljahr eingestampft wird, verstehst du?«
    Der Blick, mit dem die beiden Nele nun ansahen, war geradezu flehend– als sei sie der einzige Mensch auf der Welt, der ihre geliebte AG noch retten konnte. Es hätte geradezu schmeichelhaft sein können. Allerdings kam Nele dabei auch nicht umhin, sich zu fragen, woran es wohl lag, dass sie so wenige Mitglieder hatten. Und ob es außer Charlotte und Aylin überhaupt noch andere Mitglieder gab. Vermutlich wäre es auch ziemlich clever von ihr gewesen, die zwei erst einmal besser kennenzulernen, ehe sie sich verpflichtete, regelmäßig Zeit mit ihnen zu verbringen. Andererseits würde es wohl niemandem schaden, wenn sie sich diesen Verein mal ansah. Abspringen konnte sie schließlich später immer noch. Und auf diese Weise ein wenig Anschluss zu finden, war sicher auch nicht verkehrt.
    Und dann, irgendwo auf der Grenze zwischen dem einen Gedanken und dem anderen, hatte Nele plötzlich eine Idee. Vielleicht eine dumme Idee. Aber immerhin eine, die den Versuch wert war. Sie gestattete sich die Zeit, die es brauchte, die Haupttür des Schulgebäudes aufzuschieben und in die feuchte Kühle des Märzmorgens auf den Schulhof hinauszutreten, um noch einmal darüber nachzudenken. Auch wenn sie diese Pause in Wahrheit nicht gebraucht hätte.
    Unter der ausladenden Linde nahe dem Haupteingang blieb Nele stehen und drehte sich zu Aylin und Charlotte um.
    »Okay, ich bin dabei«, sagte sie und verkniff sich ein Grinsen, als sie sah, wie die Augen der Mädchen aufleuchteten. Nele schob die Hände in die Jackentaschen. »Und wie wär’s, ich könnte mal Jari fragen. Vielleicht hat er ja auch Lust.«
    Die Gesichtszüge der beiden entgleisten so synchron, dass es filmreif gewesen wäre. Etliche Sekunden lang sagten sie gar nichts. Aylin knetete nervös den Saum ihrer Jacke zwischen den Fingern und wechselte einen hilflosen Blick mit Charlotte, die mit einem Mal ähnlich verzweifelt wirkte.
    Nele wartete. Von dem, was diese Mädchen jetzt sagen oder tun würden, hing so einiges ab, was ihr zukünftiges Verhältnis betraf.
    Endlich holte Charlotte etwas angestrengt Luft. »Das ist aber nicht ganz unkritisch. Mit ihm rumzuhängen, meine ich.« Ihre Stupsnase zuckte, als ihre Brille ein kleines Stück ihre Nase hinunterrutschte.
    Nele hob die Brauen. »Wieso?«
    Noch während sie es aussprach, war ihr klar, sie hätte das auf keinen Fall fragen sollen. Sie hätte nicht hinter Jaris Rücken versuchen sollen, Details über sein Leben herauszufinden. Aber es war heraus, ehe die Warnung in ihrem Bewusstsein angekommen war.
    Charlotte warf einen nervösen Blick in die Runde, als fürchte sie, jemand könne ihr Gespräch belauschen. Dann beugte sie sich verschwörerisch zu Nele hin. »Na ja, du musst wissen: Sein Vater ist ein echter Misanthrop.«
    Nele runzelte verwirrt die Stirn. »Ein was?«
    »Ein Menschenhasser«, übersetzte Aylin und rieb unruhig ihre Handflächen gegeneinander. »Keiner spricht darüber, aber alle wissen, dass er Jari schlägt. Und hast du gesehen, wie dünn Jari ist? Man sagt, seine Mutter klaut, damit er überhaupt mal was zu essen bekommt. Sie ist angeblich schon mehrmals verhaftet worden deswegen, aber sie haben sie am Ende immer wieder laufen lassen. Aus Mitleid oder so wahrscheinlich.«
    Nele starrte die beiden an. Mehr noch als zuvor wünschte sie sich jetzt, niemals gefragt zu haben. Das konnte doch einfach nicht stimmen, oder? Jedenfalls klang es einfach viel zu übertrieben und aufgebauscht, ganz gleich, ob vielleicht ein Körnchen Wahrheit darin stecken mochte. Und es war ja nicht nur so, dass Aylin und Charlotte solche haarsträubenden Gerüchte offenbar einfach glaubten– sie verbreiteten sie auch noch völlig unreflektiert weiter. Die Art, wie sie diese Schauergeschichten vortrugen, lag Nele äußerst schwer im Magen und hinterließ einen säuerlichen Geschmack auf ihrer Zunge.
    »Und was von all dem genau«, sagte sie betont langsam, »ist nun ein Grund dafür, Jari aus dem Weg zu gehen? Oder habt ihr bloß von euren Müttern gelernt, dass man nicht mit Außenseiterkindern spielt?«
    Aylin riss die Augen auf. »Das wollten wir doch damit gar nicht sagen!«
    »Ehrlich nicht!«, setzte Charlotte hinzu und zuckte noch einmal mit der Nase, in einem vergeblichen Versuch, ihre Brille zurück

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