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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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sie auch weiterhin durch das dicke Glas verzerrt und unscharf blieben, wurde Jari schon sehr bald klar, wer sie waren.
    Seine Eltern. Im Wohnzimmer ihrer düsteren, engen Wohnung.
    Das da draußen war sein Leben !
    Jari presste die Handflächen an die feuchte Scheibe, versuchte die Tropfen fortzuwischen, um besser sehen zu können, aber er verschmierte die Sicht nur noch mehr. Trotzdem konnte er nach wie vor genug erkennen. Mehr als genug. Sein Vater tobte, das Gesicht in einer Mischung aus Entsetzen und hilflosem Zorn verzerrt. Seine Mutter weinte. Und dort, die reglose Gestalt zwischen ihnen am Boden– das war er selbst.
    Jaris Kehle wurde ihm eng, und er hatte das Gefühl, er hätte nun schreien müssen. An das Glas hämmern, versuchen, sich irgendwie bemerkbar zu machen.
    Aber er tat es nicht. Nur seine Hände ballten sich zu Fäusten, während er zusah, wie seine Mutter sich neben ihm auf den fleckigen Teppich warf und sich an ihm festklammerte. Wie sein Vater sie schließlich grob zur Seite stieß, ehe er Jaris reglose Hülle an den Schultern packte und ihn schüttelte, als könne er ihn dadurch aufwecken.
    Jari ließ die Hände sinken. Sie kamen ihm schwer vor, bleiern. Die Glaswand, die ihn von sich selbst trennte, war sicher so dick, wie sein Arm lang war. Er würde sie im Leben nicht zerbrechen können. Was auch immer seine Eltern da draußen taten, es würde zwecklos sein. Sie konnten ihn hier nicht finden. Er wusste ja selbst nicht einmal genau, was passiert war. Warum er auf dem Weg in den leeren Raum die Kontrolle verloren hatte, und wie das überhaupt möglich sein sollte. Fest stand nur, er war gefangen. Eingeschlossen in einer Tiefe, von der Jari nicht gewusst hatte, dass sie in ihm existierte, wie ein geheimer Keller unter der Leere, in die er so oft flüchtete, ohne die leiseste Ahnung, wie er wieder herauskommen sollte.
    Er schloss die Augen und versuchte, tief durchzuatmen, aber es war nicht einfach. Beinahe hätte er über sich selbst gelacht. Das hatte er sich ja schön eingebrockt.
    Langsam drehte Jari sich um. Zwang sich, die Fäuste zu öffnen und die Lider zu heben, um den Blick durch sein Gefängnis schweifen zu lassen. Es hatte einen Eingang gegeben, also musste auch ein Weg hinaus existieren.
    Und tatsächlich. Als er hinaufsah zur Decke, erkannte er weit über dem Boden, auf der anderen Seite des Raumes, ein helleres Rechteck im diffusen Grau, wie eine Luke, die aus der Dunkelheit führte. Darunter lag, aufgetürmt an der feuchten Wand, ein turmhoher Haufen schattenhafter Umrisse, die Jari im schwachen Licht zunächst nicht näher bestimmen konnte. Unschlüssig machte er ein paar Schritte darauf zu. Es schien, als sei er nicht der oder das Einzige, was in letzter Zeit hier hereingestürzt war. Aber wenn er sich wirklich in sich selbst befand, wie er vermutete– wenn also logischerweise er derjenige war, der Dinge in diesen Schacht warf, durch den er gefallen war–, woraus konnte so ein Abfallhaufen dann bestehen?
    Jari sah noch einmal zu der Luke hinauf, und dann zurück zu der Glaswand, hinter der schemenhaft sein Leben lag, sich fortsetzte wie ein verschwommener Stummfilm. Seine Mutter kauerte zitternd am Boden, während sein Vater das Schütteln aufgegeben hatte und sich nun Jaris reglosen Körper über die Schulter warf, ihn durch den dämmrigen Flur forttrug in Jaris verlassenes Zimmer hinüber, wo er ihn aufs Bett legte. Dann schloss er die Tür, lehnte sich von außen erschöpft dagegen, und nun konnte Jari sein Gesicht sehen. Bleich. Verstört. Und blutverschmiert.
    Jaris Augen begannen zu brennen. Er blinzelte heftig und wandte sich ab. Scheint, als hätte ich keine Wahl, dachte er mutlos. Er konnte versuchen, diesen Berg hinaufzuklettern, oder für immer hierbleiben und hoffen, dass irgendwann jemand kam und ihn herausholte. Aber wer würde das schon tun? Wer würde das können? Seine Eltern jedenfalls nicht. Und wenn sein Vater ihn nun auch noch versteckt hatte, statt um Hilfe zu rufen– wie sollte dann auch nur jemand auf den absurden Gedanken kommen, in seinem Inneren nach ihm zu suchen?
    Vorsichtig trat Jari noch näher an den Abfallhaufen heran. Er roch eigenartig, ein wenig metallisch. Süßlich. Der Geruch kam Jari bekannt vor, aber er konnte ihn nicht einordnen.
    Als unter seinem Fuß etwas nachgab, zuckte er erschrocken zurück. Er war in etwas Weiches getreten, etwas Warmes, und Jari fühlte, wie sich klebrige Feuchtigkeit unter seiner Schuhsohle ausbreitete. Er

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