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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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Augenblick nichts davon echt. Nele schloss einen Moment die Augen, um sich zu konzentrieren. Dann spähte sie noch einmal in die Küche. Jaris Mutter drehte ihr den Rücken zu, wenn sie also nur schnell und leise genug war… Ja. Jetzt oder nie. Entschlossen huschte Nele an der Tür vorbei und drückte sich auf der anderen Seite gegen die Wand. Wartete. Lauschte. Doch nichts geschah. Die Geisterfrau sang weiter, und auch das Kind weinte noch immer. Nele atmete auf. Von irgendwo in der Wohnung konnte sie jetzt außerdem eine Art Knurren hören– ein tiefes Schnarchen vielleicht. Angestrengt spitzte sie die Ohren. Jaris Vater? Der Gedanke ließ ein Frösteln ihren Nacken hinabrieseln. Nele kannte Jaris Vater nicht, aber was sie von ihm wusste– was der Bluterguss auf Jaris Brust gezeichnet und wovon die Sorge und der Kummer in den Augen seiner Mutter gesprochen hatten– gefiel ihr gar nicht, ganz egal, wie vehement Jari ihn in Schutz zu nehmen versucht hatte.
    Aber selbst wenn, ermahnte sie sich energisch, s elbst wenn er hier ist, er ist nicht echt! Nur ein Bild. Nur ein Traum. Er kann dir nichts tun, Nele!
    Beherzt schlich sie weiter, immer den dämmrigen Flur entlang. Das Weinen und auch das Knurren wurden mit jedem Schritt lauter, während der Gesang der Mutter zunehmend hinter ihr verklang. Und nun konnte Nele auch unterscheiden, woher die Geräusche kamen. Das Knurren ertönte hinter der Tür direkt gegenüber der Luke, durch die sie das Szenario betreten hatte. Nur dass die Luke, stellte Nele fest, als sie einen Blick zurückwarf, jetzt verschwunden war. Nur noch die Eingangstür der Wohnung war dort zu sehen. Nele schluckte. War sie etwa in diesem Traum gefangen? Nein, versuchte sie sich selbst zu beruhigen, Seth hatte doch gesagt, sie könnte jederzeit einen Durchgang zurück in ihren eigenen Traum erschaffen. Nur keine Angst haben.
    Noch immer stand sie vor dieser Tür. Das Knurren hörte sich aus der Nähe noch viel mehr wie das Schnarchen eines großen, satten Raubtieres an. Das war kein Mensch. Ganz bestimmt nicht. Was versteckte Jari bloß da drin? Nele schauderte– doch gleichzeitig spürte sie den fast überwältigenden Drang, die Klinke herunterzudrücken und nachzusehen, ob das Wesen auf der anderen Seite wirklich so furchteinflößend war, wie es klang.
    Aber sie tat es nicht. Denn auch das Weinen war nun ganz nah und zog ihre Aufmerksamkeit mit aller Macht auf sich. Es erklang hinter einer anderen Tür, nur wenige Schritte links von ihr. Eine Tür, die viel kleiner war als alle anderen in der Wohnung. So klein, dass Nele würde den Kopf einziehen müssen, um das Zimmer dahinter zu betreten. Aber darüber brauchte sie sich zunächst gar keine Gedanken zu machen, denn die Tür war versperrt. Oder vielmehr: mit einer Unzahl verschiedenster Schlösser fest verrammelt. Nele sah große, altmodische Vorhängeschlösser, aber auch moderne Schlossanlagen, bis hin zu elektronischen Riegeln; nebeneinander, übereinander und auf irrwitzige Weise ineinander verkeilt. Nele starrte auf das bizarre Werk und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Was hatte das zu bedeuten? War das Jaris Zimmer? Hatte er sich eingesperrt? Es musste so sein, schließlich war das hier sein Traum– wer sonst sollte also die Möglichkeit haben, ihn einzuschließen, und dann auch noch so gründlich? Aber die Schlösser waren außen, das ergab doch keinen Sinn… Andererseits, überlegte Nele weiter, gerade weil es ein Traum war, und dazu noch ein Traum, in dem Jari offenbar noch ein Kind war, musste es vielleicht auch gar keinen richtigen Sinn ergeben. Oder?
    Leise ging sie auf die Knie und neigte sich nach vorn, um durch eines der größeren Schlüssellöcher spähen zu können. Vielleicht wurde sie klüger aus alldem, wenn sie erst wusste, was für ein Raum eigentlich dahinterlag.
    Aber alles, was sie sah, war zunächst einmal: Nichts. Auf der anderen Seite war es dunkel, pechschwarz. Nele unterdrückte ein Stöhnen. Warum nur war hier in Jaris Traumwelt alles so dunkel? Da war nichts zu erkennen, nicht einmal ein Schemen. Nur das Weinen war noch immer zu hören. Und leise, wie eine blasse Hintergrundmelodie, der Atem eines Menschen.
    Nele schloss für einen Moment die Augen und dachte nach. Was jetzt? Wäre sie in ihrem eigenen Traum, hätte sie den Raum dort drüben einfach etwas heller gestalten können…
    Moment. Sie war vielleicht nicht in ihrem eigenen Traum, aber sie war in einem Traum. Warum sollte das nicht

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