Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
kleinen Dorf.
„Ich bin ein bisschen müde“ bedeutete etwa: „Kommt bitte sofort hierher!“ Wenn Mati nach Hause kam und einen schlechten Tag hinter sich hatte, schoss er mit seiner Druckluftpistole auf meine Kreationen aus Knäckebrot und getrockneten Rosen, die ich an einer Schnur in der Küche aufgehängt hatte.
Eines Morgens wachte ich in meinem Bett auf. Ich sah zu David, aber der lag nicht in seinem Bettchen. Aufgeregt rannte ich nach unten und schaute ins Schlafzimmer. Mati lag im Bett, neben ihm David. Mati hatte eine große Pistole in der Hand und spielte damit.
„Hier halt mal, David!“ Er gab dem Jungen die Pistole, aber der Kleine konnte sie nicht halten und ließ sie auf das Kopfkissen fallen.
„Was soll denn das, Mati! Wieso bringst du eine Waffe mit nach Hause? Du erschreckst den Jungen noch!“
Er nahm die Waffe, stand auf und legte sie in einen Schrank.
„Ja, du hast recht“, sagte er. „Entschuldige!“
Meinen Eltern gegenüber versuchte ich mit allen Mitteln zu verheimlichen, was in unserer Wohnung vor sich ging. Hätten sie davon erfahren, hätten sie ihn wahrscheinlich ohne Umschweife zur Rede gestellt, und davor hatte ich panische Angst. Denn wenn Mati wütend war, machte er nie einen Hehl daraus, wie sehr er meine Familie hasste. Ich wusste schließlich, mit was für Leuten er Umgang hatte, und wenn er sagte, er würde ein paar Typen zu ihnen schicken, um meiner Mama den Schädel wegzublasen, sodass man ihr Gehirn von der Wand kratzen könne, dann war das keine leere Drohung. Ein anderes Mal sagte er, er würde meine Mutter von zwei Arabern vergewaltigen lassen, die nachher Salzsäure auf ihren nackten Körper gossen. Doch am schlimmsten war es, wenn er mit sanfter Stimme zu mir sagte: ‚Willst du nicht besonders lieb zu David sein? Wer weiß, vielleicht wirst du morgen Früh ja nicht wieder aufwachen.‘
Am schlimmsten ist nicht der physische Schmerz, sondern derjenige, der sich in die Seele hineinfrisst. Ein Bluterguss verblasst mit der Zeit. Ein Schlag löst einen momentanen Schmerz aus, doch kann man die Zähne zusammenbeißen und sich weit, weit weg wünschen. Worte und Drohungen hingegen verblassen niemals. Sie setzen sich im Herzen fest wie hungrige Blutegel und vergiften einen langsam von innen.
Wir bekamen Probleme, weil wir unsere Miete schon seit Monaten nicht mehr bezahlt hatten. Ich weiß nicht, woran das lag, doch Mati tobte wie üblich und schrie, der reiche Pinkel in Amerika sollte sich nicht so haben. Der hätte bestimmt genug Geld.
Während er krakeelte, wechselte ich David im Nebenzimmer die Windeln. Ich hörte, wie Mati im Flur auf und ab ging. Dann stand er plötzlich im Türrahmen und sah mich mit einem Ausdruck des Ekels und des Abscheus an.
„Pfui Teufel, bist du hässlich!“, sagte er. „Du bist wirklich nur ein billiges Flittchen, das zu nichts zu gebrauchen ist. Und als Mama taugst du auch nicht. Du musst weg. Ich werde dich ersetzen.“
Ich weiß nicht, warum ich den Mund öffnete. Vielleicht tat ich es in der Hoffnung, mich doch irgendwie aus seinen Fängen und seiner Unterdrückung befreien zu können. Ich nahm all meinen Mut zusammen und entgegnete ihm:
„Wenn du die Miete pünktlich bezahlst, dann verspreche ich, in Zukunft eine bessere Mama zu sein.“
Es wurde totenstill, als wäre die Zeit stehen geblieben. Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen, aber dazu war es zu spät. Wie ein wildes Tier stürzte er in den Raum. Ich schloss die Augen und konnte kaum ein Stoßgebet zum Himmel schicken, als ich auch schon hochgerissen und gegen die Wand geschleudert wurde. Im Fallen schlug ich mit dem Kinn gegen die Kante des Wickeltischs. Ich dachte in diesem Moment nur daran, dass ich David schützen und verhindern musste, dass er herunterfiel. Doch unmittelbar, nachdem ich mich wieder aufgerappelt hatte, warf er mich erneut um. Ich bat ihn, damit aufzuhören und doch an David zu denken, der jetzt schrie und schrie. Krampfhaft versuchte ich mich an der Tischkante festzuklammern, aber es gelang mir nicht. Er riss mich weg und stieß mich mit voller Kraft gegen das Buchregal. Ich weinte nicht, war aber in Panik, dass David vom Wickeltisch rollen könnte. Erneut stand ich auf und flehte ihn an, doch Mati schien nichts anderes im Sinn zu haben, als ein letztes Mal seine Kraft unter Beweis zu stellen.
Er packte mich am Kragen und schleuderte mich wieder gegen das Bücheregal. Ich landete auf dem Boden, während die Videokassetten auf
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