Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
mich herab prasselten.
Mühsam kam ich auf die Beine, wankte zum Wickeltisch und nahm David in die Arme. Ich setzte mich mit ihm auf den Boden zwischen all die Videokassetten, drückte ihn an mich und begann zu weinen. Aber damit war die Sache noch nicht ausgestanden.
Ich hörte, dass Mati im Wohnzimmer war und wie verrückt schrie, dann setzte er seinen Amoklauf in die Küche fort, zertrümmerte Porzellan und Möbel und was ihm sonst noch in die Quere kam. Plötzlich hörte ich Geräusche aus dem Schlafzimmer, als würde Holz zersplittern. Dann war es plötzlich still, und ich schloss für einen Moment die Augen. Als ich sie wieder aufschlug, stand er in der Türöffnung. Ich zitterte, als wären es zwanzig Grad minus im Zimmer.
„Ich gehe jetzt weg“, sagte er. „Wenn nicht alles sauber und aufgeräumt ist, wenn ich wiederkomme, dann schieße ich dir den Kopf weg.“ Er ging zum Telefon, drückte auf ein paar Tasten und fügte hinzu: „Du brauchst gar nicht versuchen, jemand anzurufen und um Hilfe zu bitten. Das sehe ich an der Wahlwiederholung, wenn ich wiederkomme. Und du willst nicht wissen, was ich mit dir tue, wenn du es doch tust.“
Dann ging er hinaus. Ich eilte zum Fenster und sah, wie er um die Ecke bog und in Richtung Lebensmittelgeschäft ging. Ohne zu zögern, riss ich eine Windel aus der Packung, nahm David auf den Arm und lief so schnell ich konnte zu meiner Nachbarin. Beide Schwestern waren anwesend und ich bat sie, sich um David zu kümmern und unser Haus im Auge zu behalten. Wenn ich ihr mit den Jalousien in der Küche ein Zeichen gab, dann solle sie sofort die Polizei anrufen. Ich hatte keine Zeit zu verlieren, er konnte jeden Moment zurückkommen, also rannte ich wieder nach Hause und schloss die Tür hinter mir. Nun war David in Sicherheit.
Ich stieg über das zerbrochene Porzellan und die umgeworfenen Möbel hinweg. Im Schlafzimmer sah ich, dass Davids Korbwagen zu Kleinholz geworden und unser Doppelbett in der Mitte auseinandergebrochen war, sodass sich beide Teile entgegen neigten. Aber das war noch nicht alles: In einer Wand klaffte ein riesiges Loch. Es war so tief, dass man mit den Fingerspitzen fast die Ziegelsteine berühren konnte. Ich stopfte das Loch mit ein paar alten Socken. Dann machte ich mich ans Aufräumen. Doch Mati kam an diesem Tag nicht mehr nach Hause.
Die Tage flossen ineinander. Wenn Mama zu Besuch kam, ließ ich mir nichts anmerken. Ich wusste, dass sie sich Sorgen um mich machte. Ich hatte in letzter Zeit kaum etwas gegessen, weil ich ständig das Gefühl hatte, einen riesigen Kloß im Hals zu haben, und ich nicht richtig schlucken konnte. Doch die Besuche meiner Eltern taten mir unendlich gut. Ich empfand eine große Ruhe und Sicherheit, wenn sie in meiner Nähe waren. Einmal formte Mati hinter ihrem Rücken seine Finger zu einer Pistole und tat so, als würde er sie erschießen. Nachdem sie gegangen waren, sagte er lachend, er würde das Missionshaus in die Luft sprengen, wenn sie das nächste Mal dort seien. In diesem Moment spürte ich, wie unsagbar ich meine Eltern liebte und dass ich lieber sterben als zulassen würde, dass ihnen jemand ein Haar krümmte.
Mein Leben war die reine Hölle, doch es sollte noch schlimmer kommen. Was den Haushalt und das Kochen anging, war ich schon völlig paranoid. Ich tat alles, um ihm nicht den geringsten Anlass zum Zorn zu geben. Ich saugte fünf Mal am Tag und kochte ihm sein Lieblingsessen. Doch es nutzte alles nichts. Wenn er nach Hause kam, nahm er manchmal einen Milchkarton aus dem Kühlschrank und leerte ihn über dem Boden aus. Dann schrie er: ‚Wisch das auf, du Nutte!‘ Und während ich wischte, trat er mich.
Unsere Zeit in dem Haus ging ihrem Ende entgegen. Wir wurden rausgeschmissen, hörten aber zur selben Zeit von einer schönen Dreizimmerwoh nung, die zum Verkauf stand. Sie gehörte der Nichte unserer Nachbarn, und Mati kaufte sie. Die Wohnung lag ein paar Häuser von der Kirche entfernt.
Als ich eines Morgens unten im Hof saß, die Morgensonne genoss, während David im Sandkasten spielte, fragte ich mich beklommen, ob ich noch mehr solcher ruhigen Morgen erleben würde. Plötzlich zuckte ich zusammen, als Mati plötzlich meinen Namen vom Balkon herunter brüllte. Ich ging ins Haus, um zu hören, was er von mir wollte. Als ich in die Wohnung kam, schrie er mich an, ich solle ihm ein paar Brote schmieren, und zwar genau neun Stück. Ich entgegnete, dass er sich lächerlich mache. Dann nahm ich Brot
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