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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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und Butter und schmierte ihm zwei Scheiben. Im Wohnzimmer hörte ich ihn vor sich hin grummeln, wie unfähig ich sei. Ich ging ins Wohnzimmer und stellte zwei belegte Brote und eine Schale mit Hagebuttensuppe vor ihn auf den Tisch. Ich hatte mich gerade umgedreht, um wieder nach unten zu gehen, als etwas Matschiges auf meinen Rücken klatschte. Ich drehte mich zu Mati um, der mit einem höhnischen Grinsen auf den Lippen auf dem Sofa saß und mithilfe seines Löffels Hagebuttensuppe an der Wand und auf den Gardinen verteilte.
    „Bist du völlig verrückt geworden?“, fragte ich ihn. „Jetzt reicht's aber!“
    Ich war mutig, weil ich gesehen hatte, dass Melanie, die uns die Wohnung verkauft hatte, kommen sah. Melanie war sprachlos und fragte ihn, was er da eigentlich mache und ob er den Verstand verloren habe. Mati schaute sie schweigend an, dann räusperte er sich und spuckte ihr ins Gesicht. Ich versuchte zu erkennen, ob seine Kiefermuskulatur angespannt war, doch hatte er etwas an sich, was mir völlig fremd war, einen ganz neuen Ausdruck. Seine Augen waren genauso dunkel geworden wie früher in ähnlichen Situationen, doch jetzt lächelte er dazu, was mir förmlich den Magen umdrehte.
    Es war das bösartigste Lächeln, das ich je gesehen hatte. Er wirkte wie eine riesige Katze, die noch ein wenig mit ihrer Beute spielen will. Melanie und ich machten auf dem Absatz kehrt und liefen zur Tür. Als wir unten aus der Haustür eilten, hörte ich über mir ein wohlbekanntes Klicken. Ich blickte zu unserem Balkon hinauf und sah, wie er lächelnd seine Druckluftpistole auf uns richtete. Ich reagierte blitzschnell, lief zu David, nahm ihn auf den Arm und hielt ihm die Hand vor die Augen. Dann rannte ich um mein Leben. Mati schoss auf mich. Melanie ließ er in Ruhe. Die Schüsse pfiffen um uns herum, und ich spürte, dass ich ins Bein getroffen worden war. Doch ich blieb nicht stehen, bis ich irgendwann vor Schmerzen und Erschöpfung zusammenbrach.
    Die Schusswunde an der Wade sah scheußlich aus, war geschwollen und entzündet. Melanie war entsetzt und sagte, dass ich die Polizei verständigen müsse. Der Mann sei verrückt und gehöre in eine Psychiatrie. Ich log Melanie an, sagte ihr, dass Mati einen Drogenentzug mache und diese Nebenwirkungen habe. Aber es würde sich bald geben und alles wäre wieder gut.
    Melanie nahm mich und David mit zu sich nach Hause. Sie wohnte nur ein paar Häuser von uns entfernt. Sie säuberte die Wunde und machte mir einen festen Verband. Dann kochte sie mir einen starken Tee und schrieb mir auf einen Zettel ihre Telefonnummer auf. Melanie war freiberufliche Wissenschaftlerin in einem Forschungsinstitut und arbeitete von zu Hause aus.
    Ich versprach, Marita anzurufen, wenn ich Hilfe brauchte.
    Mati war permanent gereizt und stand unter dem Einfluss der Präparate, die er einnahm. Ich war ja schon ziemlich blass, doch er sah aus wie das reinste Gespenst. Er war ungepflegt, und die schwere Kleidung, die er trug, um seine Messer und anderen Waffen zu verbergen, ließ ihm die Schweißperlen auf die Stirn treten. Auch wurde er immer verhaltensauffälliger. In seinem Gesicht zuckte es, vor allem um die Augen herum, wenn er wütend oder in Gedanken war. David war nun ein gutes Jahr alt und ein hübscher kleiner Junge.
    Seine weichen, blonden Haare waren zu einer Jungenfrisur geschnitten, und ich verwendete all meine Kraft darauf, mit ihm zu spielen und möglichst viel Zeit mit ihm zu verbringen. Er war sehr liebevoll, sprach jedoch nicht viel. Ich tat alles, um ihn die bedrohliche Stimmung, die wie ein dunkler Schatten auf unserem neuen Heim lastete, nicht spüren zu lassen.
    Tag für Tag stieß Mati neue Drohungen aus. Er kam und ging jetzt, wann es ihm passte, und zeigte keinerlei Anzeichen von Reue mehr. Man konnte niemals sicher sein, in welcher Stimmung er sich befand, und meine ewige Angst schnürte mir förmlich die Kehle zu, sodass ich kaum mehr etwas zu mir nahm. Die beiden älteren Schwestern wussten inzwischen über Matis Gewaltausbrüche Bescheid. Melanie hatten sie auch unterrichtet. Sie kamen jetzt sehr oft zu mir, um zu sehen, ob alles in Ordnung war.
    Ich freundete mich mit Melanie an. Melanie war acht Jahre älter als ich, aber eine sehr kluge Frau. Sie war schon viel herumgekommen und kannte sich in der Welt aus. Melanies Freundschaft machte es mir leichter, den Alltag durchzustehen, weil ich wusste, dass Mati in ihrer Gegenwart nicht bis zum Äußersten gehen würde. Mir graute
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