Wenn Die Seele Verletzt Ist
Körpers auf eine unerträgliche Situation schlägt hier in ihr Gegenteil um und führt dazu, daß die Erinnerung konsequent verpackt wird. Ein bewußter Zugang ist fortan schwierig. Nun könnte man annehmen, daß eine Amnesie vor traumaspezifischen Symptomen schützt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Über keine bewußte Erinnerung zu verfügen bedeutet also keineswegs Symptomfreiheit. Die höchste Amnesierate findet sich bei während der Kindheit sexuell mißbrauchter Menschen. Warum Opfer anderer Gewaltverbrechen weniger zu Amnesien neigen, ist noch nicht geklärt (vgl. van der Kolk, 2000, S. 225).
Beide Extreme, das der andauernden Erinnerung einerseits und die Amnesie andererseits, wirken einer Heilung entgegen. Finden Betroffene keine bewußte, für sich selbst verständliche Bezeichnung dessen, was sich da in ihr Nervensystem hineingebahnt hat, führen die Erinnerungen ihr unkalkulierbares und in der Konsequenz belastendes Eigenleben. Kurz:die Erinnerungen „rutschen“ zuweilen am Bewußtsein vorbei direkt in den Körper, der sich jedoch auf neuronaler Ebene sehr wohl erinnert. So bleiben Geschehnisse emotional und damit auch körperlich erlebbar, die innerlich wie äußerlich unbeschreiblich sind.
Es bedarf folglich eines therapeutischen Weges, welcher die neuropathologischen Gegebenheiten berücksichtigt. Die praktische Erfahrung beim Umgang mit traumatisierten Menschen zeigt glücklicherweise, daß sich Nervensystem und Hormonhaushalt und damit die emotionale Disposition harmonisieren lassen. Besonders die systemische Sicht legt hierbei Wert auf das Stärken der Ressourcen. Gemäß Peter Levine benötigt ein bearbeitetes Trauma keine dauernde Rechtfertigung mittels wiederkehrender Erinnerungen mehr. Das Erlebte wurde begrifflich bewußt erfasst, körperlich wahrgenommen und findet auf diese Weise einen Platz im Leben (vgl. Levine, 1998, S. 212; Sauter&Sautter: Skript zur Fortbildung; van der Kolk, 2000, S. 211, 224ff, S. 239).
Zusammenfassung
Zusammenfassend zeigt sich deutlich, daß ein Trauma ein komplexes System von Ursachen und Wirkungen beinhaltet. Die möglichen Folgen eines Traumas betreffen das Nervensystem, den Hormonhaushalt, die Gemütslage, das Verhalten, die Lernfähigkeit, die Bindungsfähigkeit und das Immunsystem derart, daß ein Leben zum sprichwörtlichen Überleben verkommen kann.
Das Phänomen Trauma sollte in seinen vielschichtigen Dimensionen wahrgenommen werden, denn es wirkt auf psychischer und physischer Ebene. Trauma ist ein psychobiologisches Phänomen, hat sich doch eindeutig belegen lassen, daß unser Nerven- und auch Hormonsystem an allem, was uns widerfährt, in irgendeiner Form beteiligt ist. Darüber hinaus zeigt sich unsere Einzigartigkeit ganz offensichtlich auch im Nervensystem, so daß nicht jeder, der eine Katastrophe erlebt hat, spezifische Symptome entwickelt. Von dieser individuellen Widerstandsfähigkeit eine nahezu sozialdarwinistische „Stärke“ abzuleiten, verbietet sich allerdings von selbst,wäre doch ebendies äußerst eindimensional und würde vielen Traumaopfern, die Symptome entwickelt haben, eine besondere Schwäche unterstellen.
Eine wichtige Komponente im gesamten Traumadiskurs ist die zwischenmenschliche Ebene. Auch hier hat sich gezeigt, daß ein aus der Balance geratenes Hormon- und Transmittersystem deutliche Folgen für unsere Gemütslage hat. Dies beeinflusst unsere Fähigkeit zur Gemeinschaft im Übrigen nachhaltig! Wie soll jemand, dessen Organismus stets am Rande des Möglichen agiert und reagiert, auch noch offen für neue Impulse von außen sein? In diesem Zusammenhang verringert sich ebenso das Potenzial der (Selbst-) Wahrnehmung, welches wiederum eine eingeschränkte Teilnahme am Leben nach sich zieht. Es wird somit deutlich wie sehr unser Körper und unsere Psyche aber auch unser Sozialverhalten zusammenhängen. Diese untrennbare Einheit leidet unter einer Traumatisierung in vielschichtiger und höchst individueller Form. Bei näherer Betrachtung dieses Phänomens, müssen auch die therapeutischen Interventionen eben diesem Zustand gerecht werden und dem Betroffenen eine multidimensionale Sicht anbieten. Das hierbei zugrunde liegende Menschenbild sollte unbedingt die Möglichkeit der Besserung, Heilung und Selbstverantwortung beinhalten, denn nicht nur der Körper, sondern auch unsere Psyche und unsere Seele sind schließlich Wunder und verfügen über ungeahnte Ressourcen. Wir sind mitnichten die Knechte unserer Gene
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