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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sautter
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Verworrenheit und Unklarheit der Emotionen, die richtungslose und für den Organismus anstrengende Aktionen zur Folge haben. Aber zurück zum Nervensystem, genauer gesagt zum Zwischenhirn, welches den Übergang vom Nervensystem zum Hormonsystem bildet. Auf zellulärer Ebene vollzieht sich dies fließend und ist ein sprichwörtliches Wunder der Natur. Hormone sind an allen lebenswichtigen Prozessen in unserem Organismus beteiligt. Das Hormonsystem funktioniert über Rückkopplungsmechanismen. Für das weitere Verständnis wichtig ist, daß das Hormonsystem ein Regelkreislauf ist, welcher sehr empfindlich und gleichzeitig sehr kraftvoll agiert.
    Das Hormonsystem ist in vielerlei Hinsicht bei Traumatisierungen beteiligt und betroffen. Drei bei der Entstehung von Kampf- und Fluchtreaktionen (Streß) besonders wichtige Hormone sollen hier in ihrer Wirkweise genauer erläutert werden, um die körperlichen Folgen von einem erlittenen Trauma genauer zu veranschaulichen: die Hormone Adrenalin und Cortisol und derNeurotransmitter Serotonin.
    Bei einer als Bedrohung empfundenen Situation kommt es zur verstärkten Ausschüttung von Adrenalin, eines sogenannten Streßhormons. Unser Körper wird auf Kampf oder Flucht vorbereitet: Die Muskulatur wird angespannt, die Herzfrequenz steigt, die Pupillen weiten sich, unser Schmerzempfinden sinkt, Verdauungsfunktionen werden heruntergefahren, der Körper konzentriert sich auf den Selbsterhalt. In einer solchen Situation entwickeln wir zum Teil übermenschliche Kraft. Und das ist auch gut so! Diesem Geschehen wird ein Regulator gegenüber gestellt – das Cortisol. Dieser Gegenspieler zum Adrenalin moduliert die Streßreaktion und regelt diese, wenn nötig, herunter. Das Zusammenspiel von Adrenalin und Cortisol ist sehr wichtig bei der Entstehung angemessener Flucht- und Kampfreaktionen.
    Es wurde jedoch festgestellt, daß Traumaopfer teilweise einen relativ niedrigen Cortisol-Spiegel haben. Die Folge ist ein unangemessener Dauerstreß mit undifferenzierten Streßreaktionen. Der Organismus kommt nicht mehr zur Ruhe. Hierdurch werden Lernvorgänge und Gedächtnisleistung erheblich beeinträchtigt!
    Hinzu kommt noch, daß Adrenalin in vielen Fällen „andauernd“ ausgeschüttet wird, was noch eine weitere Zunahme des Stresses nach sich zieht. Das Hormonsystem kommt schließlich an seine Grenzen und erschöpft sich, so daß bei wirklichen Bedrohungen lebensnotwendige Abwehrfunktionen unterbleiben (vgl. Kap. „Die Überhitzung des Systems“; van der Kolk, 2000, S. 204ff). Neben den körperlich spürbaren Veränderungen, die durch das aus dem Gleichgewicht geratene Zusammenspiel von Adrenalin und Cortisol entstehen, kann auch die Gemütslage bei Traumatisierten nachweislich in Mitleidenschaft gezogen sein. Dies hat auch hormonelle Hintergründe. Eine wichtige Rolle spielt hierbei das Serotonin. Dies ist einer der Stoffe, die einen wichtigen Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Ein Mangel an Serotonin führt zur Unfähigkeit, sich psychisch zu belohnen und begünstigt die Entstehung von Depressionen, Angststörungen und Zwängen. Menschen, die an Posttraumatischer Belastungsstörung leiden, weisen häufig eine derartige Symptomlage und auch einen auffallend niedrigen Serotoninspiegelauf. Das symptomatische Bild umfaßt schließlich neben einer depressiven Gemütslage und Ängsten auch eine zwanghafte Ablenkbarkeit – hier wird offenbar fast jedem inneren Stimulus gefolgt (vgl. van der Kolk, 2000, S. 205f). Zusammenfassend kann gesagt werden, daß unser Hormonsystem infolge eines Traumas aus dem Gleichgewicht geraten kann. Ist dies geschehen, erhält sich die emotionale Bedrohung im Organismus nahezu unabhängig von außen selbsttätig aufrecht und ist ganz offensichtlich an der Ausbildung einer Vielzahl traumaspezifischer Symptome beteiligt. Vor dem Hintergrund der hormonellen Störungen, die infolge einer Traumatisierung auftreten können, wird bereits hier deutlich, daß eine emotionale Öffnung, ein Sich-Einlassen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Problem wird. Traumaopfer haben gelernt, sich neurotisch zu binden oder eben Bindung zu vermeiden (vgl. Bowlby; Sautter&Sautter, 2004, Skript zur Fortbildung). Daß dieser Zustand auch hormonell in ungünstiger Weise gestützt wird, liegt nahe.
    Die Therapie speziell im Bereich der Hormone und Transmitter weist neben pharmakologischen Herangehensweisen, die stets nur die Symptome aber nicht die wirkliche Ursache beheben, auch andere

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