Wenn Die Seele Verletzt Ist
ihrer traumatisierten Pflegepersonen waren, wie sehr sie versuchten, aus den Reaktionen ihrer Eltern und den Informationsfetzen, die sie aufgeschnappt hatten, einen Sinn zu erkennen, und wie sie einfach weinten und sich an ihre Teddybären kuschelten, wenn das alles keinen Sinn mehr ergab“ (Schechter in Hellbrügge, S. 255).
Es zeigte sich, daß die Kinder sich sehr schnell beruhigten, wenn ihnen ihre Eltern oder die Therapeuten erklärten, was geschehen war und worauf die Erwachsenen so stark reagierten. Viele Kinder verloren allein durch diese Informationen ihre Symptome. Andere, besonders die durch Traumata vorgeschädigten Kinder, brauchten eine eigene therapeutische Begleitung, um die erneute Belastung zu verarbeiten.
Mit Hilfe dieser Daten bestätigt sich eine systemische Grundannahme: Kinder merken, was in ihren Familien geschieht. Sie reagieren darauf und tun auf ihre Art ihr Möglichstes, um für Entlastung zu sorgen. Symptome sindein Zeichen dafür, daß Kinder durch den emotionalen Input ihrer Familien überfordert sind. Eltern tun ihren Kindern keinen Gefallen, wenn sie ihnen Informationen vorenthalten. Schon Zwei- und Dreijährige können verstehen, daß es ihren Eltern aus bestimmten Gründen nicht gut geht. Entscheidend und entlastend wirkt für Kinder, wenn ihnen die Erwachsenen gleichzeitig glaubhaft machen können, daß sie sich um ihre Probleme kümmern und diese letztlich bewältigen werden. Dann können sich die Kinder entspannen und wieder mit ihren eigenen Lebensinhalten befassen.
Wenn die eigene Kindheit von traumatischen Erlebnissen geprägt war, wollen die davon betroffenen Frauen häufig keine Kinder. Sind diese Erlebnisse abgespalten, werden die Frauen ganz einfach nicht schwanger. Ungewollte Kinderlosigkeit ohne medizinisch diagnostizierbare Ursachen hat unserer Erfahrung nach häufig diesen Grund. Dazu ein Fall aus der Praxis:
Eine junge, gesunde Frau kam in eines unserer Seminare, weil sie einfach nicht schwanger wurde. Sowohl sie als auch ihr Mann wünschten sich nichts sehnlicher als ein Kind. In der Vorbesprechung und der Aufstellung wurde deutlich, daß sowohl ihr Vater wie auch ihre Mutter ständig ihre Grenzen übertreten hatten; ein sexueller Mißbrauch durch den ältesten Bruder schien nicht ausgeschlossen. In der Einzeltherapie erhärtete sich dieser Verdacht und wir arbeiteten an der Integration dieses schlimmen Erlebnisses. Drei Monate später rief sie an und erzählte glücklich, daß sie schwanger sei. Sie gebar ein gesundes Kind.
Aus den geschilderten Beispielen ist Ihnen sicher klar geworden, wie wichtig es ist, daß wir uns um die Katastrophen kümmern, die in unseren Familien geschehen sind. Um wirklich eine Veränderung in unseren Familien und letztlich damit auch in unserer Gesellschaft zu bewirken, ist es also dringend notwendig, daß wir uns mit den Verhaltensmustern und Glaubenssätzen beschäftigen, die aus den Traumatisierungen entstanden sind, und verstehen lernen, was uns antriggert. Wenn wir erst einmal wissen, auf Grund welcher Trigger wir reagieren, wenn wir die Zuordnungen schaffen, dann werden wir fähig, unseren freien Willen wirklich zu gebrauchen und heil zu werden.
Auswirkung auf die Paarbeziehung
Trauma stört die Paarbeziehungen, ja, wir würden Trauma den Beziehungskiller Nr. 1 nennen. Wie wir wissen, wird das Bindungsverhalten eines Kindes in der frühen Kindheit geprägt. Michaela Huber schreibt in ihrem Buch: „Das Entscheidende passiert in den ersten 12 Lebensmonaten, der Rest meist in den nächsten zwei Jahren“ (S. 88). Wie wir ebenfalls wissen, ist dieses Bindungsmuster häufig ausschlaggebend für das Bindungsverhalten des Erwachsenen. Wenn scheinbar unlösbare Probleme zur Krise führen, gibt es oftmals einen traumatischen Hintergrund in der Kindheit eines oder beider Partner. Wir haben bereits viele emotionale Auswirkungen von Trauma kennengelernt und es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie sich diese in einer Beziehung auswirken.
Ein Kind, das in seiner Familie traumatisiert wird, befindet sich in einer für es unlösbaren Situation, einem wirklichen Dilemma: Die Menschen, denen es vertrauen soll, ja vertrauen muß, da sie für sein Überleben sorgen, sind gleichzeitig Menschen, die es an Leib und Seele bedrohen. Gleichzeitig fühlt es die Notwendigkeit, sich an Mutter und Vater zu binden und sie als gute Eltern wahrzunehmen. Das Kind ist verwirrt und in ihm entsteht ein schlimmer innerer
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