Wenn Die Seele Verletzt Ist
zum Beispiel einerseits extrem anhänglich sein und andererseits abweisend reagieren, sobald sich die Mutter mit ihm beschäftigen will. Solche Kommunikationsstörungen zwischen Mutter und Kind können chronisch werden. Das Kind wird zum „Schreibaby“ und ihm steht häufig eine Karriere als „schwieriges Kind“ bevor.
Schwierigkeiten können auch dann entstehen, wenn das Kind von der Mutter getrennt wurde, sei es durch eine zu frühe Geburt, einen Krankenhausaufenthalt des Kindes oder eine Krankheit der Mutter. Ein solches Kind kann nicht dasselbe Urvertrauen zu seiner Mutter entwickeln wie ein Kind, das eine solche frühe Trennung nicht erleben mußte. Wird ein so traumatisiertes Mädchen selbst Mutter, kann sie durchaus ambivalente Gefühle zu ihrem Kind entwickeln, denn die Symbiose mit ihrem Kind wird für sie zum Traumatrigger: Genau aus einer solchen lustvoll geborgenen Symbiose wurde sie durch die Trennung von ihrer eigenen Mutter brutal herausgerissen, und das kann sie daran hindern, ihrem Kind die Geborgenheit zu geben, die es braucht, um seinerseits Urvertrauen zu entwickeln.
Solche Muster können auch durch eine traumatische Geburt entstehen. Wenn es um Leben und Tod geht, können einige Frauen das Wesen, das ihnen soviel Qual bereitet und fast das Leben gekostet hat, nicht gleich liebevoll annehmen. Der Säugling spürt dies und schreckt zurück. Dies wiederum kann bei der Mutter zu der Überzeugung führen, das Kind lehne sie ab. Wird dieser Teufelskreis nicht unterbrochen, bleibt beiden das Gefühl, das Kind sei der Mutter etwas schuldig.
Das Kind spiegelt jedoch in jedem Fall das Verhalten der Mutter. Säuglinge können ihre Mütter nicht ablehnen; dazu fehlt ihnen ganz einfach die eigene Identität. Weil den Müttern ihr eigener Beitrag zum Teufelskreis nicht bewußt ist, wird das Kind für das „Scheitern“ der Beziehung verantwortlich gemacht.
Eine Klientin in einem unserer Seminare litt unter chronischen Schmerzen. Sie berichtete, sich nicht von ihrer Mutter lösen zu können. Die Mutter sei extrem anspruchsvoll, nie könne sie es ihr recht machen. Sobald sie versuche, den Abstand zu ihr zu vergrößern, werde sie von unerträglichen Schuldgefühlen gepeinigt. Kurz danach träten schreckliche Kopfschmerzen auf.
Ihre Geburt war sehr schwer gewesen, Mutter und Kind hatten in Lebensgefahr geschwebt. Die Mutter hatte ihr erzählt, das Baby habe sie nicht gemocht und von sich gestoßen. Außerdem habe es extrem viel geschrien, worauf man es mit seinem Bettchen in den Keller geschoben habe. Wir erklärten der Klientin, daß Ablehnung nie vom Baby ausgeht, sondern immer von der Mutter. Wir machten ihr den Zusammenhang zwischen der schweren Geburt und den ablehnenden Gefühlen der Mutter deutlich. Zuerst war die Klientin entsetzt, doch dieses Gefühl wich wenig später einer grenzenlosen Erleichterung. Sie begriff, daß sie immer dann Schmerzen entwickelte, wenn sie sich für etwas die Schuld gab, für das sie definitiv nichts konnte.
Es geht hier keineswegs darum, die Mütter für die Schwierigkeiten ihrer Kinder verantwortlich zu machen, wie dies in der Pionierzeit der modernen Psychotherapie häufig geschah. Traumata werden kommuniziert, so sehr man sich auch um das Gegenteil bemühen mag. Die Mütter trifft deshalb keine Schuld, da sie ihr Kind nicht bewußt schädigen; die Gefühlssymbiose findet einfach statt, und für ihre eigene Traumatisierung können die Mütter schließlich nichts. Das Wissen um „diese Gespenster der Vergangenheit“ könnte Mütter jedoch dazu veranlassen, frühzeitig in geeigneten Institutionen Hilfe zu suchen, denn außenstehende Beobachter können die Kommunikationsstörung sehr wohl identifizieren und Abhilfe schaffen. Von der Therapie profitieren Mutter und Kind.
Immer wieder werden wir von besorgten Eltern, die solche Erlebnisse mit ihren Kindern machten, gefragt, ob man so eine Prägung überhaupt heilen könne. Damit, daß die Erwachsenen erkennen, daß die Problematik bei ihnen und nicht in erster Linie beim Kind liegt, ist der wichtigste Schritt bereits getan. Je mehr die Eltern ihre Traumata auflösen, um so mehr können sich die Kinder entspannen und wieder sicher fühlen. Zuweilen brauchen die Kinder gleichzeitig eine kindertherapeutische Betreuung, in der sie eventuelle Defizite spielerisch auszugleichen lernen.
Einen besonderen Stellenwert hat die Traumatisierung der Eltern durch den Zweiten Weltkrieg. Für Menschen, die erlebt haben, daß
Weitere Kostenlose Bücher