Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
neunschwänzigen Katze war die beliebteste Art
der Bestrafung unter weißen Sklavenhaltern. Sie nannten es zynisch
„Neger schnitzen“. Auspeitschen war einfach, brutal und äußerst
effektiv. Die meisten Sklaven, die einmal ausgepeitscht worden waren,
wagten keinen weiteren Fluchtversuch mehr. Je nach Tiefe der Wunden,
brauchte es Monate bis man danach wieder schmerzfrei Sitzen, Gehen
oder Schlafen konnte! Wenn man nicht zuvor an Wundbrand starb!
Was Cara bei Edan jedoch
so fassungslos machte, waren das Ausmaß und die Tiefe seiner Narben.
Wieso war er als Weißer ausgepeitscht worden? Wer immer ihm das
angetan hatte, hatte seinen Tod billigend in Kauf genommen, oder
sogar gewollt. Die Haut und das Fleisch musste Edan in Fetzen vom
Rücken gehangen haben. Mein Gott, was für höllische Schmerzen
müssen das gewesen sein! Bei der Vorstellung krampfte sich Caras
Innerstes zusammen. Jetzt wußte sie auch, woher seine Gesichtsnarben
rührten. Lange Striemen, die über seine linke Schulter verliefen,
setzten sich als Verlängerung bis in seine entstellte Gesichtshälfte
fort. Derjenige, der ihn ausgepeitscht hatte, musste rasend vor Wut
und Zorn gewesen sein! Er hatte blindlings zugeschlagen!
Caras Blick glitt zu
Edans rechter Schulter hinüber, auf der ein großer, seltsamer Fleck
ihre Aufmerksamkeit erregte. Für eine Peitschennarbe war die Form
des Flecks zu regelmäßig und zu eckig. Verblüfft stellte Cara
fest, dass es sich bei dem Flecken um ein großes,
gräulich-schimmerndes „M“ handelte. Sie schaute nochmals genauer
hin, doch es gab keinen Zweifel: Edan Chandler trug ein Brandmal! Ein
Schandmal!
Tiere wurden
gebrandmarkt, auch Sklaven trugen manchmal Brandzeichen ihrer
Besitzer – aber Edan war weder ein Tier, noch ein Sklave. Er war
ein Weißer! Ein Engländer!
Ohne es zu merken, hatte
Cara ihre Hand ausgestreckt und sie auf seinen zerschundenen Rücken
gelegt. Sie strich über die seltsam wulstigen Narben. So, als ob sie
sein Leid damit nachträglich etwas mildern könnte. Edan verharrte
für ein paar Sekunden, als er ihr sanftes Streicheln auf seinem
vernarbten Rücken spürte. Doch im nächsten Moment schüttelte er
ihre Hand wie eine lästige Fliege ab, ging weiter und drehte
ungerührt den Docht der nächsten Öllaterne herunter. Wieder wurde
es dunkler im Innenhof.
Mit einem unsanften Ruck
zog er Cara zu der letzten noch brennenden Laterne im Hof. Sollte er
diese ebenfalls löschen, würde nur noch das Licht der Sterne den
Innenhof erhellen. Cara hatte angesichts seiner schlimmen Narben
völlig vergessen, dass er immer noch Lundu mit ihr tanzen wollte.
Ihr wurde mulmig. Außer ihr und Edan waren nur noch die beiden
Musiker zugegen, die müde und etwas eingeschüchtert auf ihren
Einsatz warteten.
„Wer hat dir das
angetan?“, versuchte Cara ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Einerseits hoffte sie ihn damit vom Lundutanzen ablenken zu können,
andererseits interessierte es sie brennend, wer ihn so zugerichtet
hatte. Sie wußte so gut wie nichts über Edan und seine
Vergangenheit! Er hatte ihr zwar viele Seiten seiner Persönlichkeit
gezeigt, doch Cara hatte keine Ahnung, welche davon seinem wahren Ich
am nächsten kam! Wer war Edan Chandler? Der gerissene Kartenspieler?
Der skrupellose Geschäftsmann? Der leidenschaftlich Liebhaber oder
der gewissenlose Revolvermann? Er war großzügig, tanzte vergnügt
und ausgelassen Lundu, hatte die Manieren eines englischen Gentleman
und dennoch trug er verheerende Peitschennarben und ein Brandmal auf
dem Rücken. Er war ein Ausgestossener der Gesellschaft, ein
Geächteter, ein Mann ohne Ehre! Was hatte er nur getan? Nur zu gern
würde sie von ihm eine Antwort auf diese Frage erfahren.
„Woher hast du diese
furchtbaren Narben?“, fragte sie erneut. „Wieso hat man dich
gebrandmarkt?“
Edan machte keinerlei
Anstalten ihr zu antworten. Stattdessen löschte er auch noch die
letzte Laterne und zog sie dann mit unerbittlichem Griff zur Mitte
der Tanzfläche.
„Verdammt antworte
mir!“, rief sie ungehalten. „Ich habe ein Recht es zu erfahren!“
Blitzschnell wirbelte er
zu ihr herum. Selbst im schwachen Licht der Sterne war zu sehen, wie
dunkel der Zorn in seinen Augen loderte.
„Welches Recht meinst
du?“, zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Dass
Recht meines Weibes? Meiner Geliebten? Meiner Hure?“
„Beleidige mich
nicht!“, wies ihn Cara empört zurecht. Langsam wurde auch sie
wütend. „Gut, dein Rücken sieht
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