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Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)

Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)

Titel: Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Winter
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erster
Offizier kannte nicht nur jeden des bunt zusammengewürfelten,
stinkenden Haufens von einhundertzwanzig Mann beim Namen, er sprach
auch direkt mit ihnen! Normalerweise erfolgte die Kommunikation
zwischen Mannschaft und Offizieren nur durch den Midshipman, einem
erfahrenen Matrosen, der von der Mannschaft als Sprecher gewählt
wurde und über den Rang eines Unteroffiziers verfügte.
    Auch
wenn Pickett selbst einmal einfacher Matrose gewesen war, so wußte
er doch, wie wichtig es war, eine Kluft zwischen Mannschaft und
Offizieren zu schaffen und zu halten. Diese war unerlässlich, um
eine eiserne Disziplin an Bord aufrecht erhalten, unbedingten
Gehorsam einfordern und drakonische Strafen durchsetzen zu können.
    Ein
Schiff auf hoher See war eine Welt für sich. Wo einhundertzwanzig
stinkende, einfältige und gepresste Männer auf engstem Raum
zusammengepfercht hausten, entstand ein idealer Nährboden für
Gerüchte, Massenwahn und Gewalt. Die vielen Ecken und Winkel an Bord
eines Schiffes machten Diskussionen im Verborgenen leicht. Das barg
immer die Gefahr einer Meuterei. Diese galt es im Kern zu ersticken.
Pickett nahm sich vor, seinen ersten Offizier schnellstmöglich
dazu zu bringen, sich stärker von der Mannschaft zu distanzieren und
sich mit der gleichen brutalen Härte gegenüber den Matrosen
durchzusetzen, wie er. Dies diente nicht nur der Disziplin, der
Ordnung und dem reibungslosen Arbeitsablauf, sondern vor allem der
Schutz der wenigen Offiziere. Einem bunt zusammengewürfelten
Matrosenhaufen von einhundertzwanzig Mann, der hauptsächlich aus
gepressten Unfreiwilligen und Straftätern bestand, standen nur
zwanzig ständig bewaffnete Offiziere gegenüber. Nur brutale Härte
würde diesen bunten Mob auf Wochen hinaus in Schach halten können.
Schweigend registrierte Pickett, wie sein erster Offizier und der
Midshipmann immer noch miteinander sprachen.
    „Wir sind noch keine
sechs Wochen auf See, Sir, und haben schon drei Tote zu beklagen!“
John Withcomb, Midshipman und gleichzeitig auch Segelmacher auf der
„Royal Sun HMS“, hatte Edans Schweigen wohl als Zustimmung
ausgelegt, sich weiter beschweren zu dürfen.
    „Der Rekrut dort unten
wird in Kürze der vierte sein, wenn er nicht schnellstens aus der
Sonne kommt und endlich etwas zu trinken bekommt!“
    Immer noch schwieg Edan,
während sein Blick ungerührt über den Matrosen strich, der
mittschiffs in der prallen Mittagssonne vor dem Hauptmast stramm
stand und in einem fort mit tränenersticker Stimme rief: „Ich muss
richtig salutieren! Ich muss richtig salutieren!“ Dabei riss er
immer wieder die Hand zum Gruß an den Kopf. Dies tat er bereits seit
zwei Stunden – ununterbrochen. Seine Gesichtshaut hatte sich unter
der heißen Sonne zu einem ungesunden Rot verfärbt, seine
Gesichtszüge waren vor Anstrengung schmerzverzerrt, sein Arm wollte
ihm nicht mehr gehorchen, doch der starre Blick von Captain Albert
Pickett und die Angst vor einer noch drakonischeren Strafe, hielten
den Rekruten davon ab, aufzuhören. Steuermann Thomas Slade stand
neben dem Captain und hatte die neunschwänzige Katze, für alle
deutlich sichtbar, erhoben. Die angsterfüllten Augen des Rekruten,
der noch nicht einmal sechzehn Jahre alt war, füllten sich immer
mehr mit Tränen und seine Augen flehten um Gnade. Doch der Captain
biss in aller Seelenruhe in einen Apfel, während er sich an den
Qualen des jungen Mannes ergötzte.
    „Er ist der schlimmste,
hinterhältigste Leuteschinder den Gottes Erdboden je hervorgebracht
hat!“ Die Augen des Segelmachers, waren denen von Edan gefolgt. Die
unterdrückte Wut ließ die Stimme von John Withcomb immer leiser
werden. „Sir, wir haben Verständnis dafür, dass an Bord Disziplin
herrschen muss, aber was dieser … Captain macht …“, er presste
das Wort regelrecht zwischen den Zähnen hervor, „ … ist
unmenschlich und grausam!“ Wütend stach Withcomb seine Nadel in
das helle Tuch eines Segels.
    „ Er
hält uns wie Sklaven unter Deck. Wir bekommen nur noch alle zwei
Tage unsere Portion Rum, weil ein einziger Mann Proviant gestohlen
hat! Hundert Peitschenhieben am Stück hat der arme Kerl dafür
bekommen - jetzt ist er tot! Die gesamte Mannschaft bekommt seit
vorgestern nur noch verdorbene Lebensmittel vorgesetzt – als
Mahnung! Wilson, einer der Schiffszimmermänner, hat gegen den Wind
gespuckt, das gab fünf Peitschenhiebe. Mills hat während des
Deckschrubbens gesprochen – fünf Peitschenhiebe, Hopkins

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