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Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)

Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)

Titel: Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Winter
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überhaupt
wusste wo er war, - aber dafür kam er neuerdings wesentlich seltener
betrunken nach Hause. Das mochte vielleicht auch daran liegen, dass
sein Vater ihm jegliche finanzielle Unterstützung gestrichen hatte.
Irgendwie schien Edan aber dennoch eine Einnahmequelle aufgetrieben
zu haben. Jedenfalls hatte er immer noch genügend Geld, um sich
teures Schießpulver leisten und es zu reinen Übungszwecken
verschießen zu können. Zumindest tat er dies bei seinen
nachmittäglichen Schießübungen. Wenn er bis nachmittag seinen
Rausch ausgeschlafen hatte, übte er fast täglich in der Nähe des
Stalles stundenlang Fechten und Schießen. Er legte plötzlich wieder
Wert auf sein Äußeres. Er wusch sich wieder, pflegte seine Haare
und er wechselte regelmäßig die Kleidung. Er stank nicht mehr nach
Rauch, Alkohol und sonstigen unerfreulichen Körperausdünstungen.
Allerdings waren die nächtelangen Alkoholexzesse und sein
fürchterlicher Lebenswandel nicht spurlos an ihm vorübergegangen.
Edan mochte zwar erst sechzehn Jahre alt sein, doch seine
Gesichtszüge waren viel härter, kantiger und reifer als die
gleichaltriger junger Männer. Um seine Augen und seine Lippen lag
etwas Wildes und Zynisches, was seinem guten Aussehen jedoch keinen
Abbruch tat. Edan Chandler war ein unglaublich attraktiver,
hochgewachsener, junger Mann und wenn Lillian Ian O'Sheas
Ausführungen glauben durfte, wusste ihr Sohn das bei der Damenwelt
äußerst erfolgreich einzusetzen. Ihr Gatte, der Earl, hatte von all
den Besserungen offenbar nichts bemerkt, oder es nicht bemerken
wollen. Mit seiner eigenmächtigen Aktion hatte er Lillians zarte und
vermutlich berechtigte Hoffnungen, dass Edan dabei war, sich wieder
zu fangen, brutal und nachhaltig zerstört.
    „Wohin wurde Edan
gebracht?“, fragte Lillian monoton. Wie ein riesiger, spitzer
Eiszapfen bohrte sich ihr Blick in ihren Ehemann. Charles Chandler
griff sich unwillkürlich an die Brust. Ihm war äußerst unbehaglich
zumute.
    „Nach Plymouth!“,
stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
    Lillian stand auf und
ordnete sorgsam die Falten am Rock ihres violetten Tageskleides. Als
sie damit fertig war, richtete sie sich zur ihrer vollen Größe auf
und sagte mit unbewegtem Gesicht und eisiger Stimme: „Ich werde
Euch verlassen!“
    Charles Chandler stieß
einen empörten Protestschrei aus, den sie jedoch mit einer
unwirschen Handbewegung beiseite wischte. „Versucht nicht mich
aufzuhalten ...!“ Ihre sonst so hellen Augen hatten sich in ein
tiefdunkles Violett verwandelt: „ … oder ich werde ein
öffentliches Scheidungsverfahren anstrengen!“ Charles Chandler
wurde erst kreidebleich und dann puterrot. In seinem Hals und seiner
Brust wurde es immer enger. Ein Blick in ihr Gesicht verriet ihm,
dass sie ihre unglaubliche Drohung eiskalt wahrmachen würde. Der
Skandal und der Schaden, den sie mit diesem unerhörten Ansinnen dem
Haus Chandler zufügen würde, wäre viel gewaltiger, als der, den
Edan mit seinen Saufeskapaden jemals hätte anrichten können!
Ehescheidungen in England waren zwar möglich, aber die Verfahren
waren so teuer und verliefen so schleppend, dass sie selbst reiche
Adelshäuser ruinieren konnten. Vom unerhörten Skandal und dem viel
unermesslicheren, gesellschaftlichen Schaden einmal ganz abgesehen!
    Lilian Chandler zuckte
nicht einmal mit der Wimper, als sie ihrem Mann mit eiskalter Stimme
ihre Bedingungen diktierte: „Ich werde morgen nach London abreisen.
Das Haus in Mayfair werdet Ihr nie wieder betreten, so lange ich
lebe! Sämtliche Unterhaltskosten, auch die für das Personal,
bestreitet selbstverständlich Ihr. Solange Ihr diese Bedingungen
einhaltet, lebe ich zurückgezogen, verhalte mich wohlfällig und
werde keinen Anlass zu Spekulationen geben. Verletzt Ihr meine
Forderungen, werde ich nicht zögern, Euch und den Namen Chandler zu
zerstören!“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ
sie mit kerzengeradem Rücken, in eine Aura von Eis gehüllt, die
Bibliothek.

    Kapitel
30

    Fregatte, HMS Royal
Sun, 1815

    „Er ist wahnsinnig!“,
brummelte Midshipman, John Withcomb, gerade so laut vor sich hin,
dass ihn der schnittige, junge Offizier im eleganten Blaurock, der
den Horizont mit einem Fernrohr absuchte, noch verstehen konnte. „Er
schafft es, uns alle umzubringen, noch bevor wir New Orleans erreicht
haben, Sir!“
    Withcomb wußte, dass er
mit diesen Worten sein Leben riskierte. Auf Widerworte oder Kritik am
Captain eines

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