Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
und
Ashley sind aus der Takelage gestürzt, weil sie ihm nicht schnell genug
die Segel raffen konnten. Beide tot!“ Withcomb wartete kurz ab und
warf dem großen, jungen Mann neben sich, einen verstohlenen Blick
zu. Sein Blick blieb an den vollen, dunklen Haaren des Commanders
hängen, die die weißen Hutlocken an seinem Dreispitz nie ganz
verdecken konnten. Noch immer zeigte der erste Offizier keinerlei
Gefühlsregung.
„ Er
vertilgt Berge von Fleisch und wirft das, was übrigbleibt, lieber
den Haien zum Fraß vor, als es an die Mannschaft zu verteilen!“
Wie aus Protest begann John Withcombs Magen laut zu knurren. Er warf
einen nervösen Blick nach Achtern, wo Captain Albert Pickett,
lachend den nur halbgegessenen Apfel hinter sich ins Meer warf. „Verzeiht Commander, ich weiß, ich rede mich
und Euch um Kopf und Kragen, wenn ich so offen zu Euch spreche“,
der Segelmacher senkte pflichtbewusst den Kopf, „... aber könnt
Ihr nicht erreichen, dass wir wenigstens unsere tägliche Portion Rum
wieder bekommen, die uns zusteht, um dieses verfluchte Leben an Bord
einermaßen ertragen zu können?“
Edans Blick wanderte
ausdruckslos zum Himmel, so, als ob er gar nicht mitbekommen hätte,
was der Segelmacher gerade von sich gegeben hatte. Ohne Withcomb
anzusehen sagte er ungerührt: „Dies ist ein Kriegsschiff,
Withcomb, kein Vergnügungskahn!“ Edan schob sein Fernglas zusammen
und ging ohne ein weiteres Wort nach Achtern zu Captain Pickett und
den anderen Offizieren.
„ Nun,
Commander? Findet Ihr nicht auch, dass unser Leichtmatrose jetzt weit
weniger nachlässig salutiert, als noch beim Morgenappell?“,
begrüßte ihn Albert Pickett mit spöttisch gekräuselten Lippen.
Dabei schaute er seinen ersten Offizier lauernd an.
„Ay,
Captain“, stimmte ihm Edan emotionslos zu. Alle Anwesenden spürten
die seltsame Spannung, die zwischen den beiden höchsten Offizieren
an Bord herrschte. Pickett musterte den gutaussehenden, jungen
Commander misstrauisch.
„Was wollte der Segelmacher von Euch?“,
überfiel er seinen ersten Offizier ohne Vorwarnung. Picketts
wasserblaue Augen funkelten herausfordernd, während sein Blick sich
in die dunklen, unergründlichen Augen seines hochgewachsenen
Gegenübers bohrte. Er hasste es, zu dem jungen Mann aufschauen zu
müssen.
„Er wollte wissen, wann die Mannschaft wieder ihre
tägliche Portion Rum bekommt!“, sagte Edan
wahrheitsgemäß.
„Stottert der Segelmacher neuerdings, oder
warum hat er solange gebraucht, um diese sehr kurze Frage an Euch zu
richten, Chandler!“ In Picketts Augen stand die klare Warnung, ihn
nicht für dumm zu verkaufen.
„Er stottert nicht, Sir! Er
wollte außerdem wissen, was die Mannschaft dafür tun müsste, um
dieses Privileg wieder zurückzubekommen.“ Bei Chandlers Worten
breitete sich ein zufriedenes Grinsen über Picketts Gesicht aus.
Seine brutale Härte begann sich offenbar bereits auszuzahlen! Diese
Mannschaft fraß ihm viel früher als erwartet aus der Hand. Ob nun
aus Angst oder Eigennutz, konnte ihm als Captain egal sein, solange
die Männer bereit waren, blind seinen Befehlen zu gehorchen. Denn
nichts weniger würde er von ihnen verlangen, wenn sie in knapp zwei
Wochen New Orleans erreichen würden. Dann brauchte er Männer, die
ihn, Albert Pickett, mehr fürchteten, als den Feind - dieses
durchweg feige, aber aufrührerische Pack von Amerikanern!
Nur
dreißig Jahre nachdem sich die Amerikaner von England losgesagt
hatten, befanden sich die beiden Staaten erneut im Krieg! Die
Amerikaner warfen den Briten vor, ihren Seehandel mit Europa
mutwillig zu stören, während die Briten nicht mehr tatenlos zusehen
wollten, wie amerikanische Schiffe, den Nachschub für Napoleon
lieferten, der damit seine grausamen Kriegszüge durch ganz Europa
weiter voran treiben konnte. Die Briten blockierten mit ihrer
überlegenen Seeflotte immer öfter amerikanische Häfen, brachten
reihenweise US-Handelsschiffe auf und zwangsrekrutierten deren
Seeleute für die eigene Marine. Hinzu kam noch, dass die Amerikaner
nichts gegen den florierenden Sklavenhandel in der Karibik
unternahmen, der eigentlich schon seit 1808 verboten war. Weil
England erhebliche wirtschaftliche Nachteile durch den
Sklavenschmuggel befürchtete, verfolgten britische Kriegsschiffe
immer öfter spanisch-kubanische Sklavenschiffe durch die gesamte
Karibik, befreiten die schwarzen Sklaven, um sie dann als Freie
Farbige auf Kuba zurückzulassen, wo sie als eine Art Staatssklaven
in der
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