Wenn die Sterne verlöschen
Fehler. Ich sollte zurücktreten. Ich hätte auch Sie in die Zange nehmen müssen, Nimmo, anstatt mich zu sehr auf Potterley und Foster zu konzentrieren. Ich hatte natürlich nicht viel Zeit, und Sie sind sicher hier eingetrudelt, aber das ist keine Entschuldigung für mich. Sie sind verhaftet, Nimmo.«
»Weshalb?« wollte der wissenschaftliche Schriftsteller wissen.
»Unerlaubte Forschung.«
»Hab' ich nicht gemacht. Kann ich gar nicht, da ich kein eingeschriebener Forscher bin. Und selbst wenn ich es getan hätte, ist es kein Verbrechen.«
Foster sagte wütend: »Hat keinen Zweck, Onkel Ralph. Dieser Bürokrat macht seine eigenen Gesetze.«
»Wie zum Beispiel?« wollte Nimmo wissen.«
»Ohne Verhandlung lebenslänglich Gefängnis.«
»Blödsinn«, sagte Nimmo. »Wir leben nicht im zwanzigsten Jahrhundert ...«
»Hab' ich auch schon versucht«, sagte Foster. »Das stört ihn nicht.«
»Also so ein Blödsinn«, schrie Nimmo. »Hören Sie mal, Araman, mein Neffe und ich, wir haben Verwandte, die mit uns noch in Verbindung stehen, wissen Sie. Ich nehme an, der Professor hat auch welche. Sie können uns nicht einfach verschwinden lassen. Es wird Fragen geben und einen Skandal. Wir leben wirklich nicht im zwanzigsten Jahrhundert. Wenn Sie also versuchen wollen, uns Angst einzujagen, so wird Ihnen das nicht gelingen.«
Die Zigarette zwischen Aramans Fingern zerbrach, und er warf sie zornig fort. Er sagte: »Verdammt, ich weiß nicht, was ich tun soll. So etwas ist mir noch nie passiert ... Hören Sie! Sie Narren wissen nicht, was Sie da vorhaben. Sie verstehen überhaupt nichts. Wollen Sie mir jetzt vielleicht zuhören?«
»Wir hören schon«, sagte Nimmo verbissen.
Foster saß schweigend da, biß die Zähne zusammen. Potterleys Hände bildeten ein Knäuel.
Araman sagte: »Für Sie ist die Vergangenheit die tote Vergangenheit. Wenn Sie sich jemals darüber unterhalten haben, ist dieser Ausdruck gefallen, darauf möchte ich wetten. Die tote Vergangenheit. Wenn Sie wüßten, wie oft ich diese drei Worte gehört habe, dann würde Ihnen dabei auch schlecht werden. Wenn die Leute an die Vergangenheit denken, dann denken sie, sie sei tot, weit entfernt und schon lange vorbei. Wir unterstützen sie in diesem Denken. Wenn wir über Zeitschau berichten, dann schreiben wir immer über vergangene Jahrhunderte, obwohl Sie, meine Herren, wissen, daß man etwas mehr als ein Jahrhundert zurückschauen kann. Die Leute schlucken es. Die Vergangenheit heißt Griechenland, Rom, Karthago, Ägypten, die Steinzeit. Je toter, desto besser. Sie wissen jetzt aber, daß über ein Jahrhundert etwa die Grenze ist. Was heißt für Sie also Vergangenheit? Ihre Jugend. Ihr erstes Mädchen. Ihre tote Mutter. Was vor zwanzig, dreißig, fünfzig Jahren war. Je toter, desto besser ... Aber wann fängt denn die Vergangenheit wirklich an?«
Wütend hielt er inne. Die anderen starrten ihn an, und Nimmo machte eine unruhige Bewegung.
»Schön«, sagte Araman. »Wann fängt sie an? Vor einem Jahr? Vor fünf Minuten? Vor einer Sekunde? Es ist doch offensichtlich, daß die Vergangenheit nur einen Augenblick von uns entfernt beginnt. Die tote Vergangenheit ist nur eine andere Bezeichnung für die lebendige Gegenwart. Und wenn Sie das Chronoskop auf die Vergangenheit richten, die ein Hundertstel einer Sekunde zurückliegt, beobachten Sie dann nicht die Gegenwart? Fangen Sie langsam an, zu begreifen?«
Nimmo sagte: »Verdammt noch mal.«
»Verdammt noch mal«, äffte ihn Araman nach. »Als Potterley vorgestern abend mit der Geschichte zu mir kam, was glauben Sie wohl, wie ich Sie beide überprüft habe? Ich tat es mit dem Chronoskop und spähte bis zur Gegenwart die maßgeblichen Augenblicke aus.«
»Deshalb wußten Sie Bescheid über das Schließfach?« sagte Foster.
»Und über jede andere wichtige Sache. Was, glauben Sie, würde passieren, wenn wir die Öffentlichkeit erfahren lassen, daß es ein Heimchronoskop gibt? Die Leute könnten damit anfangen, ihre Jugend, ihre Eltern und so weiter anzusehen, aber es würde nicht lange dauern, bis sie auf alle Möglichkeiten kommen würden. Die Hausfrau wird ihre arme, tote Mutter vergessen und dazu übergehen, sich ihren Nachbarn in seinem Heim und ihren Mann im Büro anzusehen. Der Geschäftsmann wird seinen Konkurrenten, der Arbeitgeber seinen Angestellten überwachen. Es wird keine Privatsphäre mehr geben. Der Gemeinschaftstelefonanschluß, der Neugierige hinter dem Vorhang werden nichts dagegen
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