Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
Vom Netzwerk:
Worten: »Und deshalb werden Sie verstehen, dass ich die zwei nicht anzeigen kann, weil ich mich dann identifizieren müsste, und dann müsste ich zugeben, dass ich die Großmutter unter einem Vorwand aufgesucht habe.«
    »Aber Sie haben ja nicht direkt gelogen.«
    »Nein, aber ich fürchte, dass ich mit meiner Einmischung die Sorgerechtsgeschichte vermasseln könnte.«
    »Und Sie finden nicht, dass die Betreuerin vom Jugendamt erfahren sollte, dass diese Flegel Sie bedroht haben?« Rashids dunkle Augenbrauen zogen sich grimmig zusammen. »Dieses kleine Mädchen ist also dunkelhäutig? Der Vater war Pakistani, die Mutter weiß?«
    Gemma nickte, ließ aber die Spekulation, dass Sandras Vater zumindest zum Teil afro-karibischer Abstammung gewesen war, unerwähnt.
    »Sie wissen, dass die beiden die Kleine als Punchingball benutzen werden, wenn sie sie in die Finger bekommen.« Rashids Züge waren jetzt hart. »Und nach dem, was Sie mir über die Familie erzählt haben, wird man mit noch so vielen Kontrollen nicht verhindern können, dass sie Kontakt mit ihrer Mutter halten.«
    »Das habe ich ja deutlich zu machen versucht«, entgegnete Gemma, bemüht, ihren Frust im Zaum zu halten.
    »Und der Dürre ist ein Fixer«, fügte Rashid hinzu. »Die Typen sieht man in allen Bangladeschi-Siedlungen. Nach einer Weile erkennt man die Anzeichen auf Anhieb, ob die Kids nun weiß, schwarz oder braun sind. Akne. Zuckungen. Dieser charmante stumpfe Blick.«
    »Dealer nehmen aber in der Regel selbst keine Drogen«,
meinte Gemma. Sie dachte an die Ermittlung des Drogendezernats.
    »Nicht, wenn sie ihren Job gut machen. Aber ich würde den Bruder nicht unterschätzen. Den Wortführer.«
    »Kevin.« Beim Gedanken an Kevins Gesicht drückte sich Gemma den Eisbeutel wieder fester an die Stirn.
    »Sind Sie okay? Ist Ihnen schwindlig?« Rashid hatte sich von seinem Stuhl erhoben und beugte sich besorgt über sie.
    Gemma rückte ein Stück zur Seite. »Sie sollten mit lebenden Menschen arbeiten. Sie sind so einfühlsam.«
    Rashid ließ sich wieder auf seinen Stuhl nieder und sah ein wenig verlegen drein. »Ach, na ja, das kommt davon, wenn man sich jahrelang um Nachbarinnen, Tanten und Cousinen kümmern muss, die einen nicht ernst nehmen.«
    »Aber Sie sind doch schließlich Arzt«, entgegnete Gemma überrascht.
    »Ich bin ein rotznasiger Bengel aus einer Sozialsiedlung.« Für einen kurzen Augenblick konnte Gemma in ihm den Jungen sehen, den Neal Weller ihr beschrieben hatte.
    »Nicht mehr.« Gemma schenkte ihm ein Lächeln, und er erwiderte es. Dann fragte sie: »Fragen diese ganzen Nachbarinnen, Tanten und Cousinen Sie denn um Rat?«
    »Nur durch die Blume. Ich mag ein ausgebildeter Mediziner sein, aber ich bin vor allem ein Mann, und deswegen haben sie Hemmungen, sich mir anzuvertrauen.«
    Sie dachte an die Beratungsstelle in der Rivington Street. »Würden sie sich anderen Frauen anvertrauen?«
    »Vielleicht. Wenn sie sich sicher fühlen könnten.« Rashid trank seinen Kaffee aus und warf einen missbilligenden Blick auf ihre halb volle Tasse. »Sie sollten Ihren Tee austrinken. Und es wäre vielleicht besser, wenn Sie nicht Auto fahren würden. Ich sollte Sie nach Hause begleiten.«
    Die Art, wie er das sagte, hatte etwas so bezaubernd Altmodisches,
dass Gemma merkte, wie sie errötete. »Nein, wirklich, ich komme schon zurecht. Mir tut nur ein bisschen der Kopf weh.«
    »Die wissen doch nicht, wo Sie wohnen, diese zwei, oder? Sie sollten nicht allein fahren.«
    »Nein. Meine Kinder - und mein Lebensgefährte - warten zu Hause auf mich.« Die Bemerkung war ihr sofort peinlich - wieso hatte sie es für nötig befunden, ihre familiäre Situation zu erklären? Gleich glühte ihr Kopf noch mehr. »Ich muss jetzt wirklich los. Danke für Ihre Hilfe.«
    Zögerlich betastete sie die wunde Stelle an ihrer Stirn. Zum ersten Mal stellte sie sich die Frage, wie sie eigentlich Duncan erklären wollte, was passiert war. Er würde Kevin und Terry Gilles eigenhändig die Köpfe abreißen, wenn er sie erwischte, und das wäre überhaupt nicht gut.

22
    Eine der wenigen Ansichten, die alle Generationen der bangladeschischen Bevölkerung eint, ist die Überzeugung, dass weiße Familien die Interessen bedürftiger Mitglieder nicht ausreichend schützen. Auch wenn ihre erfolgreichen Kinder heutzutage nach ihrer Heirat nicht mehr bei den Eltern wohnen möchten, glauben die meisten immer noch an die unverbrüchliche Solidarität der Familie und sind

Weitere Kostenlose Bücher