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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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Sandkasten, und es war schön draußen. Mr. Naz hatte Mangos gekauft, und wir haben uns im Mixer ein Lassi gemacht. Mr. Naz hatte gesagt, er wäre gegen drei zurück, und deshalb habe ich vorher alles aufgeräumt. Aber er ist nicht nach Hause gekommen.«
    Gemma fiel auf, wie ordentlich und sauber die Küche war. Auf einer der Arbeitsflächen stand das Backblech, auf dem Alia die Samosas gebacken hatte, und daneben eine Tupperdose. Der Kühlschrank, ein Retro-Modell von Smeg, war mit Magneten
und Buntstiftzeichnungen geschmückt - ein ganz normaler Anblick in einem Haushalt mit einem Kind. Aber irgendetwas war hier ganz und gar nicht normal. Sie dachte an den inzwischen fast sechsjährigen Toby, der praktisch nicht mehr aufgehört hatte zu reden, seit er seine ersten Wörter gelernt hatte, und lächelte Charlotte erneut an. »Hallo, Charlotte«, sagte sie. »Ich heiße Gemma. Hast du die tollen Bilder da gemalt?«
    Charlotte starrte sie nur mit ausdrucksloser Miene an.
    Sie frage sich schon, ob das Kind vielleicht in seiner Entwicklung zurückgeblieben war, und fragte Alia leise: »Ist sie sehr schüchtern?«
    »Schüchtern?« Alia wirkte aufgeschreckt. »Oh nein, das würde ich nicht sagen. Es ist nur so - seit ihre Mutter … Sie redet nicht viel, besonders, wenn Fremde dabei sind.«
    »Hat sie keinen Kontakt mit ihrer Mutter?«
    Alia starrte sie an, und ihre Finger, mit denen sie in Charlottes Locken gespielt hatte, erstarrten plötzlich. »Sie wissen das mit Sandra gar nicht?«, flüsterte sie.
    Gemma warf Tim einen vorwurfsvollen Blick zu, worauf dieser mit den Schultern zuckte und mit den Lippen die Worte »keine Zeit« formte.
    »Nein, leider nicht.«
    Tim rückte auf dem Sofa vor und stützte die Hände auf die Knie, als müsse er sich daran hindern aufzuspringen. »Es ist im Mai passiert«, sagte er. »Ich habe den Aufruf gelesen, den Naz danach in die Zeitung gesetzt hatte. Deshalb habe ich mich bei ihm gemeldet.« Sein Blick streifte Charlotte, und er schien seine Worte noch sorgfältiger abzuwägen. »Sie - Sandra - hatte die Kleine bei einem Freund in der Columbia Road gelassen. Es war Sonntag, kurz bevor der Markt schloss. Sie sagte, sie hätte etwas zu erledigen und wäre in ein paar Minuten wieder zurück. Aber sie ist nie wieder aufgetaucht.«

4
    Ein Traum von häuslicher Idylle - mit einer niedrigen, schiefen Decke und einer großen Anrichte, bis obenhin voll mit Geschirr; ein Tisch aus blankem Kiefernholz, bedeckt mit Holzschüsseln und Körben, alle randvoll mit frischem Gemüse - weiße Steckrüben, braune Zwiebeln und leuchtend orangefarbene Karotten. Das ist zweifellos die Küche des Hauses …
    Dennis Severs, 18 Folgate Street:The Tale of a House in Spitalfields
     
     
    Gemma und Hazel starrten Tim entgeistert an, doch es war Hazel, die als Erste die Sprache wiederfand. »Sie ist verschwunden? Die Frau von diesem Mann ist verschwunden, und du hast es mir nicht gesagt?«
    »Wann hätte ich das denn tun sollen?«, verteidigte sich Tim.
    Hazel sprang auf und ballte ihre schmalen Hände zu Fäusten. »Du hast diesen Mann, den du seit Jahren nicht mehr gesehen hattest, angerufen, weil seine Frau verschwunden war? Und du hast ihm eine Therapie angeboten? Das ist - das verstößt gegen jedes Berufsethos. Das ist einfach nur pervers.«
    Tim sah zu ihr auf. »So war es nicht. Ich dachte mir nur, dass Naz vielleicht jemanden zum Reden brauchte. Ich habe ihm nie eine Rechnung gestellt. Und seit wann bist du die Autorität in Sachen Berufsethos?« Die Verbitterung auf beiden Seiten trat jetzt offen und in aller Schärfe zutage, und die Luft im Raum knisterte vor Feindseligkeit. Charlotte begann zu weinen.

    »Ich verstehe nicht.« Alias Blick ging von Tim zu Hazel. Sie drückte Charlotte fester an sich und flüsterte: »Schsch, Char, ist ja schon gut.«
    »Hier geht es nicht darum, was jeder von euch gedacht oder getan hat«, sagte Gemma scharf. Die schlichte Tatsache, dass ein Mann einen Termin versäumt und das Kindermädchen seiner Tochter nicht zurückgerufen hatte, war plötzlich in etwas unendlich Komplizierteres umgeschlagen, und da half es nicht weiter, wenn Hazel und Tim sich angifteten. Rasch ging Gemma ihre Möglichkeiten durch.
    »Tim, ich denke, du solltest Charlotte fürs Erste mit nach Hause nehmen, falls es keine näheren Verwandten gibt, die man einschalten könnte. Alia können wir die Verantwortung nicht aufbürden, und -«
    »Ich kann sie nehmen«, warf Hazel ein. »Ich kann beide

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