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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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irgendetwas im Haus fotografiert?«, fragte Gemma.

    »Nein, sieh selbst.« Er hielt die Kamera so, dass Gemma sie sehen konnte.
    Sie starrte auf das helle Rechteck der Bildanzeige und sah einen Mauerbogen aus dunklem Backstein und darin ein abblätterndes Plakat. Es war das verblasste Werk eines Straßenkünstlers, so ramponiert, dass Gemma nicht erkennen konnte, ob es ein Gemälde oder ein Foto war.
    Es spielte keine Rolle. Die junge Frau auf dem Bild schien ihr direkt in die Augen zu sehen, unbekümmert ob ihrer Nacktheit, ihr friedvolles Gesicht unschuldig und so alterslos wie die Zeit selbst.

32
    In der alten Zeit gab es Engel, die nahmen die Menschen bei der Hand und führten sie fort von der Stadt der Zerstörung. Heutzutage sehen wir keine Engel mit weißen Flügeln mehr. Und doch werden die Menschen von der drohenden Zerstörung weggeführt: Eine Hand legt sich in ihre und geleitet sie sanft in ein ruhiges, helles Land, auf dass sie nicht mehr zurückblicken müssen; und die Hand mag die eines kleinen Kindes sein.
    George Eliot, Silas Marner
     
     
    »Warum setzt du dich nicht ein bisschen hin?«, hatte Kincaid gesagt. »Es ist heiß draußen, und du siehst ziemlich geschafft aus.« Er hatte ihr ein Glas Wasser geholt und war wieder hinaus in den Garten gegangen.
    Gemma hatte das Wasser in die Spüle gekippt und das Glas mit heißem Wasser und Spülmittel abgewaschen, ehe sie es erneut gefüllt hatte. Es war albern, das was ihr bewusst, und sie hatte Durst, aber sie wollte nicht aus einem Glas trinken, das Alexander benutzt haben könnte.
    Als Kincaid zurückkam, hatte sie es schon wieder ausgespült.
    »Ich glaube, ich weiß jetzt ihren Namen«, sagte er. »Cullen hat heute Morgen ein bisschen recherchiert. Laut den Unterlagen der Einwanderungsbehörde hieß das letzte Mädchen, das Alexander aus Bangladesch mitgebracht hat, Rani. Er hat sich bis heute nicht von ihr scheiden lassen.«

    »Was ist mit Lucas Ritchie?«, fragte Gemma. »Hat er irgendwelche von den Männern auf den Fotos identifizieren können?«
    »Alle. Cullen kümmert sich um die Durchsuchungsbeschlüsse. Du, hör mal.« Er kam auf sie zu. »Wir können hier im Moment sowieso nicht mehr viel tun. Ich glaube, wenn wir gleich aufbrechen, könnten wir noch rechtzeitig im Rathaus von Chelsea sein, bevor es schließt.«
    Gemma starrte ihn verständnislos an. »Im Rathaus von Chelsea?«
    »Wir müssen noch die Heiratserlaubnis beantragen, falls du das vergessen haben solltest.«
    »Ach ja, stimmt.« Es schien Welten entfernt von dem, was sie gerade draußen im Garten miterlebt hatte - und sie wollte plötzlich nichts dringlicher, als dieser Welt hier entfliehen. Sie drehte den Ring an ihrem Finger. »Das ist mal eine richtig gute Idee.«
     
    Melody stand auf den Stufen vor dem Haus und sah den beiden nach. Sie hatte versprochen, Gemmas Wagen nach Notting Hill zu fahren, und die Schlüssel an sich genommen.
    Sie verspürte einen Anflug von Neid, und sie fragte sich, wann Gemma endlich die Schuppen von den Augen fallen würden, was Charlotte betraf. Manche Leute hatten alles und waren einfach nur blind. Aber trotzdem stand es ihr nicht zu, etwas zu sagen - und es war auch nicht ihre Art, die Hände in den Schoß zu legen und sich in Selbstmitleid zu ergehen.
    Die Tür ging auf, und Doug Cullen kam heraus.
    »Ach, du bist’s«, sagte sie. »Ich habe gehört, du wärst momentan ohne fahrbaren Untersatz. Der Super ist gerade mit dem Einsatzwagen weggefahren. Soll ich dich mitnehmen?«
    »Ja, gern. Wenn’s dir nichts ausmacht - ich bin gleich so weit.« Er stellte sich neben sie und blickte die Straße hinauf.
Ohne sie anzusehen, fragte er: »Na, wird die Geschichte hier morgen in der Chronicle stehen?«
    Melody starrte ihn erschrocken an. »Was?«
    »Du hast mich schon richtig verstanden. Ich habe nämlich ein bisschen recherchiert. Nachdem die Sache mit Ritchies Club durchgesickert war. Es war ja so was von offensichtlich. Bloß dass niemand auf die Idee gekommen ist, mal genauer hinzusehen.
    Es ist ja ein ziemlich häufiger Name«, fuhr er fort. »Häufig genug, um eine Zeitlang unbemerkt zu bleiben, aber wie konntest du glauben, dass deine Identität nicht irgendwann ans Licht kommen würde? Und Gemma in Schwierigkeiten zu bringen -«
    » Du verteidigst Gemma?« Melodys Wut drängte ihren Schock in den Hintergrund. »Das ist ja ein starkes Stück - wo du doch derjenige bist, der sie immer zu sabotieren versucht. Gib’s zu - du bist nur

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