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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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Detective Inspector, Notting Hill.«
    »Nicht gerade Ihr Revier«, meinte der Mediziner und beäugte sie interessiert.
    Weller lieferte keine Erklärung. »Inspector James, das ist Dr. Rashid Kaleem, unser hochgeschätzter Kollege von der Rechtsmedizin und Klugscheißer vom Dienst.«
    Im Großraum London und in Südostengland praktizierten rund ein Dutzend dem Innenministerium unterstellte Rechtsmediziner, von denen Gemma im Rahmen ihrer Arbeit sowohl bei Scotland Yard als auch im Revier Notting Hill schon einige kennengelernt hatte. Aber dafür, dass Kaleem offenbar neu bei der Truppe war, schienen er und Weller sich schon sehr gut zu kennen und - trotz ihrer Frotzeleien - auch recht gut zu verstehen.
    Kaleem arbeitete schnell und sorgfältig. Er schoss Fotos mit seiner eigenen Digitalkamera und murmelte seine Beobachtungen in ein Diktiergerät, während er die äußere Untersuchung durchführte. Anschließend zog er Naz Maliks Polohemd hoch, um das Thermometer einzuführen, und Gemma wandte den Blick ab. Irgendwie machte der Anblick der nackten, glatten Haut des Toten sie noch betroffener, als es Blut oder klaffende Wunden vermocht hätten.
    Ein Sonnenstrahl drang durch das Geäst und brannte auf Gemmas Schulter. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, Sonnencreme aufzutragen. Sie trat einen Schritt zur Seite und sah zu, wie Kaleem noch weitere Nahaufnahmen von Maliks Kopf machte. Dann drehte er, ohne jemanden um Hilfe zu bitten, vorsichtig die Leiche um.

    »Die Totenflecke sind fixiert«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass er bewegt wurde. Um wie viel Uhr wurde er gestern das letzte Mal gesehen?«
    Als Weller Gemma ansah, antwortete sie: »Er hat sein Haus gegen vierzehn Uhr gestern Nachmittag verlassen. Das ist der letzte Zeitpunkt, für den wir eine Zeugenaussage haben.«
    Kaleem schüttelte den Kopf. »Die Totenstarre ist noch voll ausgeprägt. Es gibt natürlich noch andere Faktoren, aber bei dieser Hitze würde ich erwarten, dass sie schon nachgelassen hätte, wenn er tatsächlich seit fast vierundzwanzig Stunden tot wäre.«
    »Wenn er vor Sonnenuntergang gestorben wäre, wäre die Leiche wahrscheinlich schon gestern Abend entdeckt worden«, meinte Weller und runzelte die Stirn. »Allerdings ist der Park um diese Jahreszeit bis halb zehn geöffnet - es war also schon ganz dunkel, als die Tore geschlossen wurden -«
    »Er könnte schon einige Zeit hier gewesen sein, ehe der Tod eintrat - vielleicht zwischen der Schließung des Parks und den frühen Morgenstunden.« Kaleem legte seine restlichen Instrumente in den Koffer zurück und stand auf. »Ich werde mehr sagen können, wenn ich ihn auf dem Seziertisch habe.«
    Weller schien noch nicht gewillt, die Diskussion abzuschließen. »Wenn er Tabletten genommen hatte und dann hierherkam, um zu sterben, oder wenn er die Tabletten hier genommen hat -«
    »Sie denken, dass es Selbstmord war, Inspector?« Kaleems Ton war scharf.
    »Seine Frau ist vor drei Monaten verschwunden«, erklärte Weller. »Er hätte allen Grund gehabt, zumal, wenn er mit ihrem Verschwinden zu tun hatte -«
    »Die persönlichen Verhältnisse des Opfers einmal außer Acht gelassen«, unterbrach ihn Kaleem, »wenn das ein Selbstmord war, dann hat dieser Mann sich auf höchst ungewöhnliche Weise dabei helfen lassen.«

    Weller starrte ihn an. »Wovon redest du, Rashid?«
    »Ich mache diesen Job jetzt schon zehn Jahre, Inspector, und ich habe noch nie gesehen, dass jemand mit dem Kopf in dieser Position hingefallen wäre. Selbst wenn dieser Mann schon tot war, als er fiel, wäre sein Kopf durch den Aufprall nach links oder nach rechts gedreht worden. Ich vermute, dass er erstickt ist, ungeachtet möglicher anderer Faktoren, die ihn außer Gefecht setzten.«
    Weller sah ihn verständnislos an. »Erstickt?«
    »Seine Atmung muss durch die Lage des Kopfs erheblich behindert gewesen sein.« Dr. Kaleem sah Gemma an, als erwarte er, dass sie ihm zur Seite sprang. »Und ich wette, irgendjemand hat ganz bewusst dafür gesorgt, dass er genau so liegen blieb.«

8
    Zu jener Zeit gab es in der Brick Lane eine lebendige Künstlerszene. Die Reichen und Berühmten waren noch nicht eingefallen, in den Straßen hatte man noch das Gefühl, sich in unerforschtem Gelände zu bewegen, und man konnte in dem Viertel mit sehr wenig Geld über die Runden kommen.
    Rachel Lichtenstein, On Brick Lane
     
     
    Dr. Kaleem hatte die Leiche freigegeben und angeordnet, dass sie in die Leichenhalle des Royal London gebracht

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