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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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vertraute Stimme. Wesley Howard kam aus der Küche, eine blaue Keramikschüssel unter
einen Arm geklemmt, in der anderen Hand einen Teigschaber. Er hatte einen weißen Fleck auf der Nase und ein strahlendes Lächeln auf den Lippen.
    Wesley, Betty Howards jüngstes Kind und ihr einziger Sohn, arbeitete stundenweise als Babysitter für die Jungs, und Gemma hatte von Anfang an einen besonderen Draht zu dem jungen Mann gehabt.
    »Wes«, rief sie erfreut. »Was tust du denn hier? Ich dachte, du müsstest heute Abend arbeiten. Und wo sind die anderen?«
    »Die Jungs sind mit Tess und Geordie rausgegangen. Toby und die Hunde haben hier rumgetobt wie die Wilden - man kam sich vor wie bei Arsenal gegen Manchester United. Und außerdem hab ich mir mal deinen Herd ausgeliehen.« Wesley legte den Teigschaber in die Schüssel und wischte sich die Hände an dem Geschirrtuch ab, das er sich in den Bund seiner Jeans gesteckt hatte. Er trug ein orangefarbenes T-Shirt mit der Aufschrift Peace, Love and Reggae und hatte seine Dreadlocks mit einem königsblauen Halstuch zurückgebunden. Wie seine Mutter hatte er ein Faible für leuchtende Farben. »Dienstagabends geht’s bei uns im Café eher ruhig zu«, fügte er hinzu. »Ich werde erst später gebraucht.«
    »Was machst du denn da eigentlich? Das duftet ja himmlisch.« Gemma schnupperte wieder und folgte ihm, als er in die Küche zurückging. Plötzlich musste sie mit Sorge an Charlotte denken. »Sag bloß, euer Herd hat den Geist aufgegeben!«
    »Nein, ich wollte bloß nicht noch mehr einheizen. Du weißt ja, wie klein die Küche ist, und man geht da ohnehin schon ein vor Hitze.«
    Jetzt entdeckte Gemma die leeren Backformen auf der Arbeitsfläche. Auf dem Küchentisch stand eine große Platte mit einer prächtigen Torte darauf, die zur Hälfte mit Glasur überzogen war.
    »Und ich dachte, Kit und Toby würden mir vielleicht gerne
beim Kuchenbacken helfen«, fuhr Wes fort. »Is’ Erdbeer, Mann - superlecker!«, fügte er hinzu, und Gemma musste lachen. Sie hatte schon sehr bald erkannt, dass Wes ein richtiges Chamäleon war - er konnte den westindischen Akzent einund ausschalten, wie es ihm beliebte, und meist nutzte er ihn als Tarnung gegenüber Menschen, in deren Gegenwart er sich nicht wohlfühlte. »Du hast deinen Beruf verfehlt, Wes. Du solltest Schauspieler werden.«
    »Ich glaube, die Bühne sollten wir lieber Toby überlassen.« Wes tänzelte mit Fechterschritten durch die Küche und schwang den Teigschaber wie einen Degen.
    Gemma hob in gespieltem Entsetzen die Hände. »O nein, bitte, ermutige ihn nicht auch noch. Er ist so schon schlimm genug.«
    Wesley tauchte den Schaber wieder in die Schüssel, schöpfte noch eine Portion Glasur heraus und verteilte sie sorgfältig auf der obersten Lage der mehrstöckigen Torte. »Ich werde ihm sagen, dass es bei den Piraten keinen Kuchen gab. Und schon gar keine Torten mit Frischkäseglasur und pürierten Erdbeeren im Teig.«
    Sid, der schwarze Kater, sprang auf den Tisch, und seine Schnurrhaare zitterten, während er begehrliche Blicke auf die Torte warf. »Nichts da, du frecher Kater. Du weißt doch, dass du auf dem Tisch nichts verloren hast«, schimpfte Gemma. Trotzdem hob sie ihn ganz behutsam auf, setzte ihn auf den Boden und tätschelte ihm noch ein wenig den Kopf. »Na, sag schon, was gibt es denn zu feiern?«, zog sie Wes auf. »Hast du etwa eine neue Freundin?«
    »Könnte man so sagen.« Wesley gab noch einen Klacks Glasur auf die Torte. »Sie heißt Charlotte«, fügte er grinsend hinzu. »Gestern Abend habe ich ihr ein Stück von Ottos bestem Schokoladenkuchen aus dem Café mitgebracht, aber sie hat ihn nicht angerührt. Da dachte ich mir, ich probier’s mal mit was anderem.«
    »Ach, Wes.« Gemma ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken,
überwältigt von einem Gefühl der Dankbarkeit. »Ich wusste, dass du sie verwöhnen würdest.«
    »Du meinst, du hattest gehofft, dass ich sie verwöhnen würde.«
    »Ich habe darauf gezählt.« Sie lächelte. »Wie geht es ihr heute? Redet sie mit dir?«
    »Noch nicht sehr viel, aber ich lasse nicht locker. Vielleicht schaffe ich es ja mit Erdbeertorte. Mum hat heute Morgen ein paar alte Spielsachen von meinen Schwestern rausgesucht, aber außer für Mums Nähsachen scheint sie sich für nichts richtig zu interessieren.Vor der Kamera ist sie allerdings ein Naturtalent - kein bisschen gehemmt.«
    »Ich glaube, ihre Mutter hat viel fotografiert.«
    »Ja, das erklärt es wohl.« Wesley

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