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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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mit«, erbot sich Doug.
    »Nein, lassen Sie mal gut sein, Doug. Ich werde nicht lange bleiben. Und Sie sollten sich lieber noch ein paar Wohnungsanzeigen vornehmen.« Er klopfte seinem Sergeant auf die Schulter. »Ich will Sie doch nicht aufhalten, wo Sie gerade so schön in Fahrt sind.«

    Die Fournier Street lag da wie eine düstere Schlucht. Im Licht der tief stehenden Sonne zeichneten sich Schornsteine am Himmel ab wie eine Kolonne Soldaten in orange schimmernden Uniformen, die im Gleichschritt über die Dächer der Häuserreihen marschierten. Kincaid hatte keine Mühe, das Haus in der kurzen Straße zu finden. Es parkte kein Transporter der Spurensicherung davor, und als er den Knauf drehte, fand er die Tür verschlossen. Er zog den Nachschlüssel aus der Tasche, den er sich von Sergeant Singh hatte geben lassen, bevor er von Bethnal Green aufgebrochen war, schloss die Tür auf und trat ein.
    Es war dunkel im Haus, alle Läden geschlossen. Kincaid tastete eine Weile blind nach dem Lichtschalter - in diesen Altbauten waren die Leitungen oft auf Putz verlegt und endeten an den unmöglichsten Stellen. Hier war der Dielenschalter mit dem für das Wohnzimmer zusammengelegt und befand sich direkt neben der Wohnzimmertür. Als er die Hand zurückzog, waren seine Fingerkuppen schwarz - die Kollegen von der Spurensicherung hatten schon ganze Arbeit geleistet.
    Im hellen Licht war noch mehr schwarzes Pulver zu erkennen: an den Türknäufen und am Treppengeländer, an der Lenkstange und dem oberen Rahmenrohr des Fahrrads, das an der Wand lehnte, und auch an dem mit fröhlichen Klebeblumen verzierten Helm, der an einem der gummierten Lenkergriffe hing.
    Er warf einen Blick ins Wohnzimmer und ging dann die Stufen hinunter in die Küche, wo er sich vergewisserte, dass kein Abfall im Mülleimer vergessen worden war. Soweit er wusste, gab es hier keinen Hausmeister, und der Gestank von vergammelndem Müll hätte bald das ganze Haus verpestet. Aber irgendjemand hatte hier schon aufgeräumt, ob es nun Naz Maliks Kindermädchen gewesen war oder die Spurensicherung - oder Gemma.
    Zurück im Erdgeschoss, blieb er einen Moment stehen. Er hätte das Haus gerne noch so gesehen, wie Gemma es am Samstag
erlebt hatte - als man die Gegenwart der Menschen noch gespürt hatte, als es noch von Leben und Energie erfüllt war. Jetzt aber herrschte schon die unnatürliche Stille, die so typisch für ein unbewohntes Haus war. Die Luft fühlte sich konserviert und abgestanden an, und das Fingerabdruckpulver gab den Räumen ein vernachlässigtes, verwahrlostes Aussehen.
    Und während er dastand und in die Stille lauschte, fiel Kincaid noch etwas anderes auf. Trotz aller Unterschiede in Alter und Baustil erinnerte dieses Haus ihn sehr an ihr eigenes. Es herrschte die gleiche behagliche Atmosphäre mit der Mischung aus modernen und antiken Möbeln, den Farbtupfern in Form von Teppichen und Bildern, dem Durcheinander von Büchern und Kinderspielzeug.
    Gemma hätte sich hier sofort zu Hause gefühlt. Vielleicht war das ja auch ein Grund für die Zuneigung, die sie zu dem Kind gefasst hatte.
    Er stieg die Treppe hinauf, wobei er in jedem Stockwerk einen kurzen Blick in die Zimmer warf, und er musste feststellen, dass ihm die exzentrischen Details irgendwie gefielen. Das war gewiss Sandras Werk, vermutete er, wenn er an den Empfangsraum in Naz Maliks Kanzlei dachte, der ebenso konservativ eingerichtet und ordentlich aufgeräumt war wie sein Arbeitszimmer hier im Haus. Kincaid nahm sich nicht die Zeit, Naz’ Papiere durchzusehen. Der Computer war schon abtransportiert worden, um von den Experten unter die Lupe genommen zu werden, und den Rest sollte sich Doug vornehmen, der schließlich der Sohn eines Rechtsanwalts war.
    Im obersten Stock angekommen, tastete er erneut nach dem Lichtschalter, und als er ihn gefunden hatte, hielt er überwältigt inne. Gemma hatte ihm Sandras Collagen schon beschrieben, aber er hatte sich wohl etwas Antiquiertes und ein wenig Überladenes vorgestellt, falls er überhaupt einen Gedanken daran verschwendet hatte. Nichts hatte ihn auf das Feuerwerk von
Farben und Formen vorbereitet, das nun vor seinen Augen explodierte. Er trat näher, um die unvollendete Arbeit auf dem Tisch näher zu betrachten und die anderen, die an den Wänden lehnten.
    Die Bilder waren nicht so abstrakt, wie er im ersten Moment gedacht hatte. Sie spielten mit den Sehgewohnheiten und Vorstellungen des Betrachters, vermischten auf eindringliche Weise

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