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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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Bekanntes und Überraschendes. Auf einem überragten die gläsernen Wolkenkratzer der City die kleinen Ladenfronten in baufälligen Häuserreihen. Stoffbahnen in leuchtenden Farben ergossen sich aus den Eingängen, lagen auf dem Pflaster wie gefallene Körper.
    Kincaid riss sich los und ging auf den Tapeziertisch zu, der Sandra offensichtlich als Schreibtisch gedient hatte. Darüber hing ein großes Gemälde eines roten Pferds auf weißem Grund, und jetzt erst fiel ihm auf, dass Sandra nirgendwo im Haus ihre eigenen Collagen aufgehängt hatte.
    Notizbücher und lose Papiere lagen auf der Tischplatte herum, und er erkannte mit einem Blick, dass es mehr Zeit erfordern würde, dieses Chaos zu sichten, als er heute Abend zur Verfügung hatte. Dennoch nahm er beiläufig das eine oder andere zur Hand - einen Skizzenblock voller Zeichnungen und Notizen, eine Mappe mit Zeitungsartikeln über Ausstellungen in diversen Galerien, ein Fotoalbum mit handgeschriebenen Erläuterungen. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass die Fotos allesamt Sandras Arbeiten zeigten, während in den Bildunterschriften vermerkt war, wo sie hingen.
    Eine Schule, eine Bibliothek, auch Firmenräume, wie es aussah; eine nahe gelegene Klinik, einige Privathäuser und Geschäfte - Kincaid hatte das Album einmal flüchtig durchgeblättert, und nun machte er noch einen zweiten Durchgang und suchte nach der Eintragung, die ihm ins Auge gesprungen war.
    Da war sie. Die Collage war repräsentativer als die meisten
anderen; sie zeigte eine schmale, schluchtartige Straße, die Häuserflucht durchbrochen von der blumengeschmückten Fassade eines Pubs, durchsetzt mit Nischen, in denen kleine Skulpturen traditioneller Handwerker standen - und dazwischen, scheinbar unpassend, eine Kanone auf einer Lafette.
    Lucas’ Glücksbringer , lautete die Bildunterschrift. Bin mir nicht sicher, ob er den Witz versteht .
    Lucas. Lucas Ritchie. Auf dem Foto hing die Collage in einem eleganten Salon mit hoher Decke.
    Kincaid erkannte das Pub - es war das Kings Stores in der Widegate Street, nahe der Artillery Lane. Er erinnerte sich dunkel an die Handwerker-Skulpturen, die in Nischen in der Fassade eines Nachbarhauses standen, aber er war sich sicher, dass da keine Kanone war.War das irgendein Insider-Witz zwischen Sandra und Ritchie gewesen - eine Anspielung auf die Artillery Lane vielleicht?
    Jedenfalls war dies schon einmal ein Punkt, an dem er ansetzen konnte. Wenn die Collage den Club darstellen sollte, dann würde er in der Widegate Street anfangen.
    Nun erst betrachtete Kincaid die Fotos, die am anderen Ende des Ateliers an die Korkwand geheftet waren. Er blieb lange davor stehen. Sandra - denn es schien eindeutig, dass hauptsächlich sie fotografiert hatte - Sandra hatte ihre Familie nicht Modell sitzen lassen, sondern sie in Situationen eingefangen, die sich zu einer Dokumentation ihres Alltagslebens zusammensetzten: beim Essen, Reden, Kochen, Spielen, Lesen. Seine Kehle schnürte sich zusammen, er schluckte und musste blinzeln, als er den Schnappschuss eines kleinen Mädchens mit lockigen Haaren betrachtete, das mit einem Buntstift malte, das Gesicht ganz angespannt vor Konzentration.
    Charlotte. Charlotte Malik. Nie wieder würde sie für ihn einfach nur das Kind sein.
    Da kam ihm plötzlich ein Gedanke. Er blickte sich im Atelier
um, suchte Sandras Werktisch und ihren Schreibtisch ab, sah in Regalen und Körben nach. Sandra war ganz offensichtlich eine begeisterte und talentierte Fotografin gewesen. Aber wo war ihre Kamera?
     
    Gemma hielt im gleichen Moment vor Bettys Haus, als Hazel aus der Tür trat und die Stufen herunterkam. Sie hatte noch einmal vergeblich versucht, Hazel anzurufen, dann hatte sie Wes gebeten, auf die Jungs zu warten, und war sofort losgefahren.
    Jetzt stellte sie den Escort schräg auf dem Gehsteig ab und sprang hinaus. »Hazel!«
    Hazel blickte auf. »Gemma. Ich wollte gerade -«
    »Was tust du hier?« Gemma merkte, dass sie zitterte, hin- und hergerissen zwischen Wut und Erleichterung. »Warum bist du nicht ans Telefon gegangen? Tim hat sich schreckliche Sorgen um dich gemacht. Ich habe mir schreckliche Sorgen um dich gemacht -«
    »Ich wollte nicht … Ich hatte ganz vergessen, dass ich es ausgeschaltet hatte.« Hazel kramte in ihrer Tasche nach dem Handy und schaltete es ein. Dann weiteten sich ihre Augen vor Schreck. »O Gott, ist mit Holly alles in Ordnung? Ich habe ganz vergessen -«
    »Nein, nein, ihr fehlt nichts«, versicherte

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